Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
alten Lukas und dessen Anschlägen wider ihn derb gehänselt.
»Dieser Spitzel,« rief Dubois, während sich sein Gesicht in sehr ernste Falten legte, »ist ein ausgefeimter Bösewicht, der sich vor keiner Lüge scheut und unsern Joe an den Galgen brächte, wenn er damit ein paar Pfund oder Schillinge verdienen könnte. Siekönnen sich drauf verlassen, Grimaldi, daß er Ihren Namen ohne allen Grund aufgeschrieben hat.«
»Dieser Meinung bin ich auch,« sagte Davis, »sicher will er sich mit Joe ein gutes Stück Geld holen, aber seien Sie deshalb nicht bange, Joe, die Sache wird schon schief gehen.«
Grimaldi wurde es sehr ernst zumute, aber nun fingen die Freunde erst recht an zu kohlen, ließen allerhand Andeutungen über die Missetat fallen, die ihm der böse Polizist aufs Kerbholz geschrieben hätte, und während der auf ein sittliches Vorgehen, der andere auf Fälschung, ein dritter gar auf Mord und Totschlag plädierte, meinte ein vierter, der den Versuch karikierte, den armen Sünder mit den letzten Tröstungen zu versehen, mit heiterem Lachen, so schlimm dürfte die Geschichte schließlich doch wohl nicht werden, trotzdem diesem Bösewicht von Polizist ein ziemlich starker Einfluß nicht abgesprochen werden könne, und in der Regel keiner, der von ihm in die Schere genommen würde, straffrei ausginge. Darauf ließe sich zwei gegen eins wetten.
Grimaldi entging es nicht, daß sich hinter allem Scherz und Spott seiner Freunde ein gewisser Ernst versteckte; er konnte sich deshalb einer gewissen Beklommenheit nicht erwehren und suchte sich klar zu werden, was der alte Lukas eigentlich gegen ihn vorbringen könnte. Da trat ein Diener vom Theater raschen Schrittes zu ihm herein und meldete, daß ihn jemand auf der Stelle zu sprechen verlange.
»Wer denn, mein Lieber?« fragte Grimaldi, nicht wenig erschrocken.
»Ein Mann mit einer Brille – ich glaube, es ist kein anderer als der alte Lukas,« sagte der Diener.
Alle Anwesenden brachen zuerst in ein schallendes Gelächter aus, versicherten sodann aber Grimaldi ihreseifrigsten Beistandes. Grimaldi selbst stand wie versteinert da. Komiker Dubois meinte:
»Na, Joe, Scherz muß sein, und Sie wissen ja zu spaßen und zu scherzen. Sollte sich aber Scherz in Ernst wandeln wollen, dann seien Sie versichert, daß wir dem Sackermenter von Polizisten die Zähne zeigen werden.«
Die andern guten Freunde sprachen sich in demselben Sinne aus. Grimaldi dankte ihnen auf das wärmste, denn jetzt machte er sich schon die schwärzesten Gedanken. Es wurde beschlossen, mit Grimaldi vors Haus hinunterzugehen, den alten Lukas aber, falls er es sich herausnehmen sollte, ungezogen oder gar frech zu werden, in den Kanal zu stoßen, damit er sich dort ein wenig abkühle. Grimaldi wurde nun von seinen Freunden in die Mitte genommen und zu dem vorm Hause wartenden Polizisten geführt.
Alle fragten durcheinander, was von dem Freunde begehrt würde.
Lukas würdigte sie keiner Antwort, sondern herrschte Grimaldi zu, er müsse auf der Stelle mit ihm nach Hatton Garden hinüber. »Aber,« setzte er hinzu, »beeilen Sie sich! Ich habe keine Zeit zu warten.«
Es erhob sich ein verworrenes Geschrei. Alles wünschte den Wicht dorthin, wo der Pfeffer wächst, und fragte nach dem Haftbefehle. Lukas würdigte auch jetzt keinen der Schreier einer Antwort, sondern stellte an Grimaldi die kurze und bündige Frage, ob er der Aufforderung gutwillig folgen wolle oder nicht. Ein einstimmiges Nein donnerte ihm entgegen.
»Hören Sie, Lukas,« sagte Komiker Dubois, »Sie sind ein alter Halunke, was niemand besser weiß, als Sie selber. Wir meinen, es kanns auch niemand leichter beweisen als Sie selber. Ehe wir aber zugeben, daß Mr. Grimaldi Sie begleitet, verlangen wir Vorweis des Haftbefehls, der Ihnen das Recht gibt, hier soaufzutreten. Haben Sie aber keinen Haftbefehl, dann rate ich Ihnen, sich schleunigst auf die Strümpfe zu machen, wenn Sie nicht getaucht werden wollen.«
Diese Ansprache wurde durch ein allgemeines Beifallsgeschrei beantwortet, in das noch andere, die inzwischen sich angefunden hatten, einstimmten.
»Mr. Dubois,« sagte Lukas, sobald er sich Gehör verschaffen konnte, »mit Ihnen habe ich gar nichts zu schaffen. Und an Sie, Mr. Grimaldi, richte ich neuerdings die Frage, ob Sie meiner Aufforderung zu folgen bereit sind, oder nicht.«
»Nur, wenn Sie den Haftbefehl vorzeigen,« rief der Seiltänzer, »sonst lassen wir ihn nicht aus unsrer Mitte.«
»Nein – ohne Haftbefehl
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