Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
»verhält es sich so, wie ich meine. Meine Tochter ist im Besitze der elterlichen Erlaubnis, Mr. Grimaldi zum Manne zu nehmen, und da sie, meines Wissens, mit Mr. Grimaldi einig ist, wird sie von dieser Erlaubnis wohl recht bald Gebrauch machen.«
Der gute Freund saß da, wie vom Donner gerührt, Grimaldi aber war vor Vergnügen schier außer sich. Endlich ging ihm ein Licht auf, endlich verstand er, daß Mr. Hughes den Zuträger auf eine feine, vorwurfsfreie Weise hatte ablaufen lassen wollen, vielleicht sogar nicht frei von Schadenfreude war und sich auf Kosten des Unheilstifters ein Späßchen machen wollte. Mit ernster Miene, doch sichtlich nur unter Aufwand von Anstrengung imstande, ein Lächeln zurückzuhalten, sagte er zu seinem künftigen Schwiegersohne:
»Immerhin war es nicht ganz in der Ordnung, mein lieber Joe, meiner Tochter vor allen Leuten einen Kuß zu geben, und falls es Ihnen oder meiner Tochter neuerdings beikommen sollte, sich solchen Genuß nicht versagen zu wollen, so möchte ich doch recht sehr gebeten haben, das nur unter vier Augen abzutun.Ein wenig Rücksicht auf die zurzeit herrschende Sitte ist doch notwendig, und ich meine, sie dürfte auch dem Zartsinne der in Frage stehenden jungen Dame genehmer liegen.«
Hierauf schnitt Mr. Hughes dem diensteifrigen guten Freund einen tiefen Bückling, machte die Tür auf und befahl dem zunächst stehenden Diener, »den Herrn bis zur Tür zu geleiten.«
Er selbst begab sich mit Grimaldi zum Frühstück, an dem auch sein Töchterchen teilnahm.
Von diesem Augenblicke an war endlich treuer Liebe die Bahn geebnet, und alles weitere Verhalten des Mr. Hughes gegen Grimaldi legte sattsam Beweis für die Wertschätzung ab, die dieser ihm durch seine oft unter widrigen Verhältnissen aufrecht erhaltene Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit abgewonnen hatte.
Am Sonnabend nach dem erzählten Auftritte wurde mit der Einrichtung der gemieteten Wohnung begonnen, und am Ostersonntage folgte das erstmalige Aufgebot des jungen Paares.
Wie immer nahmen die Vorstellungen im Sadlers-Wells-Theater am Ostermontage ihren Anfang, und Grimaldi trat in einer neuen Rolle auf, die noch bedeutender war als all seine bisherigen, und durch deren brillante Durchführung ihm neuer Ruhm erstehen sollte.
Vier bis fünf Monate hatte er verhältnismäßige Ruhe gehabt. In seiner neuen Rolle, die ihn recht angriff, begann er indessen zu fühlen, daß auch ihn das Los seines Standes ereilen sollte, Abnahme und Erschlaffung der Kräfte infolge von allerhand körperlichen Gebrechen, die anderen Menschen vorenthalten zu bleiben pflegen.
Es wurde ihm unaufhörlich Beifall gespendet, der ihn aber zu immer neuen Anstrengungen spornte, und die Folge davon war, daß er am Schlusse der Vorstellungimmer so erschöpft war, daß er sich kaum auf den Beinen halten konnte, den kurzen Weg bis zu seiner Wohnung nur mit großer Mühe zurücklegen konnte und sich sogleich zu Bett legen mußte.
In seinen späteren Jahren war seine Rede oft, daß ihm die glänzenden Einnahmen, die er machte, die schwere Mühe, die ihm die Durchführung seiner Rollen verursacht, auch nur eben wett gemacht hätten, und daß er um kein Pfund dabei besser gefahren sei als Leute, denen es beschert sei, in Ruhe und mit Gemächlichkeit einen regelmäßigen Verdienst zu haben und dabei alt zu werden, statt sich in einer verhältnismäßig kurzen Zeit völlig abzuwirtschaften.
Grimaldis Worte sind nur zu wahr; sie beruhen auf der Erfahrung eines lange, und nicht immer freudigen Lebens. In der Tat kann nur sehr gute Einnahme solchen Künstlern – besonders dann, wenn sie leicht erregbar und empfindsam sind wie eben Grimaldi – das Los eines frühen Alters mit all seiner Pein und Trübsal einigermaßen vergüten helfen.
Am Morgen nach, dem erstmaligen Auftreten in seiner neuen Rolle erwachte Grimaldi gestärkt und erquickt in der elften Stunde. Er erschrak beinahe, als er den Blick auf die Uhr richtete, denn sonst pflegte er schon um sieben Uhr angekleidet zu sein, sich mit der Fütterung seiner Tauben zu befassen, oder die Geige zu spielen, oder seine Modelle zu fertigen. Müßiggang war ihm unausstehlich; er verbitterte ihm das Leben, und für die Wonne »süßen Nichtstuns« konnte er niemals Verständnis gewinnen.
Bei neuen Stücken pflegt der Vormittag nach den ersten Vorstellungen der Repetition zu gehören: es gilt, Längen auszumerzen und Verbesserungen vorzunehmen, wie sie durch das Spiel als wünschenswert sich
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