Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
fein zu speisen vorhabe?«
»Warum denn nicht?« versetzte Grimaldi.
»Nun, Kellner, dann bringen Sie mir alle Abend meinen gerösteten Käse, bloß weil es so dumm aussieht, nichts zu bestellen, wenn ein anderer Gast so tüchtig auffahren läßt.«
Als sie wieder allein waren, stimmte Grimaldi ein fröhliches Gelächter an; Bologna wurde ärgerlich und sprach von sinnloser Verschwendung, daß man sich das Geld doch zu schwer verdiene, um es für solche Leckereien auszugeben, und daß man sich auch mit einfacheren Gerichten sättigen könne usw., Grimaldi dagegen sprach von schlecht angebrachter Knickerei, daß jeder Mensch das Recht habe, sich damit satt zu essen, was ihm schmecke und worauf er Appetit habe, sobald er nur das Geld habe, alles bezahlen zu können, was er auffahren lasse usw. Es wollte keiner von beiden sich in den andern schicken, und so blieb alles, wie es gewesen war: Grimaldi aß einen Abend um den andern vom besten, was es im Wirtshause gab, und Bologna verzehrte einen wie alle Abend seinen gerösteten Käse.
Neun Tage hielten sie sich in Chester auf, und als sie die Rechnung bekamen, stellte sich heraus, daß sie, wie Grimaldi prophezeit hatte, recht billig wegkamen.
»Nun, was sagen Sie nun?« fragte Grimaldi mit selbstbewußtem Lächeln.
»Ich muß zugeben,« antwortete Bologna, »daß es sich hier nicht so teuer lebt, wie ich dachte. Auf meiner Rechnung findet sich aber ein sehr unangenehmer Irrtum. Sehen Sie doch! Mir sind meine Käse genau so angerechnet, wie Ihnen Ihre Rebhühner und was Sie sonst feines gegessen haben.«
»So lassen Sie doch den Kellner heraufkommen«, meinte Grimaldi.
»Kellner«, fuhr Bologna den Ganymed an, als er auf sein Klingeln in der Stube erschien, »wie verhält sich das? Mir rechnen Sie für gerösteten Käse ebensoviel an wie meinem Kameraden für Rebhühner usw. Sagen Sie doch der Wirtin, daß ich um Berichtigung dieses Irrtums bitten lasse.«
»Bitte um Verzeihung, Sire, die Rechnung ist in Ordnung«, antwortete der Kellner.
»Wie soll ich das verstehen?«
»Es ist bei uns, wie in allen übrigen Gasthäusern auf der Straße nach London, für Nachtmahl ein Pauschalpreis angesetzt. Ob die Gäste warm oder kalt speisen, steht im Belieben. Das Nachtmahl kostet durch die Bank eine halbe Krone. Es hätte Ihnen die Wahl zwischen allem, was es bei uns gibt, freigestanden – Sie wünschten jedoch ausdrücklich für jeden Abend Röstkäse, Sire!«
Der knickerige Bologna biß sich auf die Lippen und bezahlte mit ingrimmigem Geknurr seine neun halben Kronen für neunmal Käse, während Grimaldi mit verschmitztem Lächeln auch nicht mehr für allerhand feine Delikatessen zu zahlen hatte.
Am andern Morgen reisten sie zusammen nach London, und auf dieser Tour gab Bologna abermals einen Beweis von übertriebener Sparsamkeit. Als nämlich die Postkutsche vorfuhr, flüsterte er Grimaldi zu, sie möchten doch lieber einen Außenplatz nehmen, da sie dann doch ein reichliches Pfund sparen könnten.
»Freilich«, erwiderte Grimaldi, »damit wir dann zwanzig Pfund zum Doktor schleppen müssen? Oder vielleicht gar ein böses Leiden uns für den Lebensrest holen. Nein, dafür danke ich.«
»Ich sehe nicht ein, wie man sich dazu verstehen kann, das Gewisse für etwas Ungewisses zu opfern. Jedenfalls sehe ich zu, auf billigem Wege zu einem Platz im Wagen drin zu kommen. Die Kutsche gehört unserer Wirtin. Ein Platz drin im Wagen ist noch frei. Wenn man soviel Geld in einem Wirtshause läßt, wie wir beide, kann man fordern, daß einem Platz im Wagen für die Hälfte gelassen wird.«
Grimaldi machte ihm Vorstellungen aller möglichen Art, aber umsonst. Bologna stellte der Wirtin das Ansinnen, ihm einen Platz im Wagen für den Preis eines Platzes oben auf dem Verdeck zu überlassen, und die gutmütige Frau ging darauf ein, doch mit dem Vorbehalte, daß Bologna den Platz zu räumen verpflichtet sei, sobald sich unterwegs ein Fahrgast für den Innenplatz fände.
Die Fahrt ging los, bis um vier Uhr früh konnte sich Bologna des Vorrechts, für das halbe Geld mitzufahren, erfreuen; als aber zu dieser Stunde frische Pferde genommen wurden, meldete sich ein Passagier für den Platz drinnen im Wagen.
Der Postillon riß den Schlag auf und mahnte Bologna höflich, an die von ihm eingegangene Verpflichtung; Bologna aber brummte, es solle ihm gerade einfallen, auszusteigen, und nachzuzahlen noch weniger.
Der Postillon wußte im ersten Augenblick nicht, was er sagen sollte, und
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