Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
Lebensgeschichte von Dickens erinnern muß, daß Micawber der Vater des Dichters ist! Dickens allerdings, und das versöhnt uns empfand nicht ebenso. Der Humor steckte so tief in seiner Natur, daß er durch Aufmerken auf die lächerlichen Züge das wohltuende Gesamtbild nicht zu beeinträchtigen glaubte. »Kenne ich einmal«, sagt er sehr bezeichnend, »einen Menschen mit all seinen kleinen und großen Fehlern, so wird er mir lieb und für mich ein interessanter Gegenstand.«
In der unwürdigen Stellung eines Wichsekrukenreinigers scheint der beklagenswerte Knabe bis zu seinem zwölften Jahre ausgehalten zu haben; wenigstens hatten sich die äußeren Verhältnisse seines Vaters um das Jahr 1824 herum wieder soweit aufgebessert, daß Charles von neuem eine Schule besuchen konnte. Er sagte darüber selbst: »Ein Mr. Jones, ein Walliser, hielt eine Schule in Hampstead-Road, wohin mich mein Vater schickte, um einen Prospectus mit den Preisen zu holen. Die Jungen waren gerade beim Essen und Mr. Jones war in einem Paar leinener Halbärmel mit dem Vorschneiden beschäftigt, als ich mich dieses Auftrages entledigte. Er kam heraus und gab mir was ich wünschte, und hoffte, ich würde sein Schüler werden. Ich wurde sein Schüler: um sieben Uhr eines Morgens, sehr bald nachher, trat ich als Tagschüler in das Institut von Mr. Jones, das in Mornington Place lag und dessen Schulzimmer abgerissen wurde, als man die Eisenbahn nach Birmingham durch diesen Stadtteil führte. Damals aber war das Schulzimmer weder durch Eisenbahndirektoren noch durch Ingenieure bedroht und über der Tür befand sich ein Schild, geziert mit den Worten: »Wellington House Academy«.
In der »Akademie« in Wellingtonhouse blieb er fast zwei Jahre, denn er war etwas über 14 Jahre alt, als er sie verließ. Sowohl in seinen kleineren Schriften als im Copperfield finden sich allgemeine Andeutungen darüber, und unter den aus den Household Words gesammelten Artikeln ist einer, der ganz besonders den Zweck hat, sie zu beschreiben. Er bezeichnet sie darin als besonders merkwürdig wegen ihrer weißen Mäuse. Er sagt, daß sich die Jungen allerhand Vögel, Finken, Hänflinge und Kanarienhähne in ihren Pulten, Schubkästen oder Hutschachteln hielten, daß aber weiße Mäuse die Haupttiere waren und daß die Jungen die Mäuse viel besser unterrichteten, als die Lehrer die Jungen. Nichtsdestoweniger erwähnt er, daß die Schule einer gewissen Berühmtheit in der Nachbarschaft genossen habe, obgleich niemand sagen konnte, worin sie bestanden hätte, und fügt hinzu, die Jungen seien der Ansicht gewesen, daß der Prinzipal nichts wisse und einer der Hilfslehrer alles!
Nach dem Austritt aus dieser Schule trat Dickens als Schreiber in das Bureau eines Sachwalters ein und verfiel, noch während er diese Stelle bekleidete, auf den Gedanken, sich durch Erlernung der Stenographie auf die Reporterlaufbahn vorzubereiten. Von der Mühe, die ihm diese, achtzehn Monate, hindurch eifrigst betriebenen stenographischen Studien verursachten, hat er ebenfalls einiges im Copperfield mitgeteilt. Sein Vater, bei dem er noch wohnte, war bereits als parlamentarischer Berichterstatter an einer der Morgenzeitungen angestellt und befand sich nun, auch infolge der Vermehrung seiner amtlichen Pension, durch den Ertrag dieser lobenswerten Beschäftigung in behaglicheren Verhältnissen, Um die Mittel für den Unterhalt seiner Familie zu vermehren, beschloß also der junge Dickens, es seinem Vater gleich zu tun. Und er erreichte sein Ziel durch die eiserne Konsequenz und die Selbstzucht, die ihm eigen war, und den Prozeß seiner Selbsterziehung erleichterte. Man würde auch keinen besseren erläuternden Kommentar über diese Jahre seines »Bureaujungentums« finden, als in der Antwort seines Vaters auf die Frage eines Freundes: »Wo hat Ihr Sohn denn seine Erziehung erhalten?« »Nun, Sir, man kann sagen – ha! ha! – er hat sich sozusagen selbst erzogen!« –
Von den zwei Arten der Erziehung, die nach Gibbons Ausspruch alle Menschen empfangen, die über das gewöhnliche Durchschnittsmaß hinaussteigen, der seiner Lehrer und der persönlicheren und wichtigeren, die er sich selbst gab, genoß er nur den Vorzug der letzteren. Nichtsdestoweniger reichte sie für ihn aus. Er machte sich also eifrig an das Studium der Stenographie und teils um seine allgemeinen Kenntnisse soweit zu vervollständigen, als man von einem jungen wohlerzogenen Mann erwarten durfte, teils der Befriedigung eines
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