Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
da in der Welt. Immer gewohnt, sein Glück in seiner Häuslichkeit zu finden, fiel es ihm recht, recht schwer, so mutterseelenallein dazustehen. Sein körperliches Leiden erheischte fürsorgliche Pflege und sein seelischer Zustand aufheiternde Gesellschaft. Deshalb hielt er es für das beste, zu einem Freunde, dessen Frau eine weitläufige Verwandte von ihm war, nach Pentonville zu ziehen, wo er in früheren Jahren lange gewohnt und manch frohen Tag verlebt hatte. Dort besuchten ihn manche von den alten Freunden, in der Nachbarschaft fand er die aufmerksamste Pflege, und Mr. Richard Hughes hielt bis zu Joes letzten Augenblicken das Gelübde getreulich, das er einst seiner Schwester, Joes erster Frau, in ihrer letzten Stunde gegeben hatte.
Am 31. Mai 1837 starb er. Noch am Abend vorher hatte er sich in das nur wenige Schritte von seiner Wohnung befindliche Gasthaus tragen lassen, um einer von ein paar guten Freunden veranstalteten kleinen Unterhaltung beizuwohnen. In der besten Stimmung hatte er sich, kurz nach elf Uhr, verabschiedet und wieder nach Hause tragen lassen. Am Tage darauf war er eine Leiche. Am 6. Juni wurde er in Pentonville auf dem Friedhofe der St. James-Kapelle beerdigt. Auf dem Denksteine, der ihm dort gesetzt wurde, steht ein Vierzeiler, der von ihm selbst herrührt:
Das Leben ist ein Spiel, dem einen recht, dem andern schlecht –
Dem Klugen ist’s Genuß, dem Toren Überdruß –
Dem einen bringt’s Verlust, dem anderen Gewinn –
So liegt’s nun mal im Spiele drin.
Biografie
‚Der leere Stuhl’ — Gad’s Hill Place, Rochester, Kent
CHARLES DICKENS. SEIN LEBEN UND SCHAFF EN von Richard Zoozmann
Charles Dickens , der vorzüglichste Dichter Londons, der volkstümlichste Novellist des 19. Jahrhunderts, nebst Thackeray der Gründer der Londoner Romanschule und einer der größten Humoristen Englands, wurde am Freitag den 7. Februar 1812 geboren, in Landport auf Portsea , der Insel am Eingang des Hafens von Portsmouth.
Sein Vater, John Dickens , war damals, als Beamter im Zahlamt der Marine, im Dockyard von Portsmouth angestellt. Charles war ein schwächliches Kind von Geburt an und mußte sich damit begnügen, den fröhlichen Spielen und dem ausgelassenen Getümmel seiner Altersgenossen vom Fenster aus zuzuschauen. Dadurch fand er sich früh genug auf den Umgang mit sich selbst angewiesen, indem er scharf seine Umgebung beobachtete und alles einem Gedächtnisse einzuprägen verstand, das ein geradezu eisernes genannt werden muß.
Walter Scott erzählt in dem Fragment seiner Selbstbiographie, wo er von den gegen seine Lahmheit angewandten Heilmitteln spricht, daß er sich erinnere, als noch nicht ganz dreijähriger Junge auf dem Fußboden des Wohnzimmers in dem Pachthause seines Großvaters gelegen zu haben, eingewickelt in ein Schafsfell, das noch warm vom Leibe des Tieres gekommen war. David Copperfield’s, oder wie man hier sagen muß, das Gedächtnis von Dickens reicht noch weiter zurück. Er erzählt, daß er weit genug in die dunkle Ferne seiner Kindheit zurückblicken kann, um darin seine Mutter und deren Dienstmagd zu unterscheiden, wenn auch in verkleinerter Gestalt für sein Auge, weil sie auf den Boden niederknieten oder sich bückten, während er sich selbst mit schwankendem Schritt von der einen zur andern tappeln sieht. Auch hat er seinem Freunde und späteren Biographen John Forster erzählt, daß er sich des kleinen Gartens vor dem Hause in Portsea deutlich erinnere, das er verließ, als er zwei Jahre alt war und wo er, von dem Kindermädchen durch ein niedriges mit der Gartenfläche fast in gleicher Höhe liegendes Küchenfenster beobachtet, mit irgend etwas Eßbarem in der Hand, in Begleitung seiner älteren Schwester umherlief. Eines Tages trug man ihn aus dem Garten hinaus, um ihm zu zeigen, wie die Soldaten exerzierten, »und ich entsinne mich (sagt Forster), daß er, als wir zu der Zeit, da er seinen Nickleb schrieb, zusammen in Portsmouth waren, die Gestalt des Paradeplatzes genau wiedererkannte, den er ein Vierteljahrhundert vorher an derselben Stelle als Kind gesehen hatte.«
Er verkürzte sich, sobald er in die Geheimnisse des Alphabetes, eingeweiht war, die meiste Zeit mit Lesen, und ein günstiger Zufall fügte es, daß ihm aus seines Vaters Bücherei Cervantes, Lesage, Robinson Crusoe, Tausend und eine Nacht und die englischen Humoristen des achtzehnten Jahrhunderts in die Hände fielen. Sie waren eine Schar von Freunden, Lehrern
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