Dem Killer auf der Fährte
hat der Hüttenkäse also draußen in ihrem Milchbehälter gestanden, und zwar so lange, bis sie ihn hereingeholt hat.«
»Ja.«
Wir sahen uns an.
»Und«, fügte ich hinzu, »praktisch jeder hätte vorbeikommen, den Milchbehälter und die Packung öffnen, irgendwas hineintun und sie wieder verschließen können. Wenn man den Hüttenkäse mit der nötigen Sorgfalt wieder geglättet hätte, wäre niemandem etwas Ungewöhnliches aufgefallen. Noch dazu, wo Elaines Milchbehälter auf der Veranda steht, die von der Straße abgeschirmt ist. Wußtest du das?«
»Ja.«
»Es muß daher nicht unbedingt jemand gewesen sein, der ihr Haus betreten hat. Jeder hätte es tun können.«
»Oh ja«, seufzte Kevin, »das hilft uns bei der Suche enorm.«
»Vielleicht war es einer von diesen fanatischen Antifeministen, wie dieser Typ in Montreal. Jemand, der sie nicht einmal persönlich kannte, aber der sie haßte, weil seine Frau ihre Bücher gelesen und ihn daraufhin verlassen hat. Oder vielleicht war der Grund eine Frau, die nach einem von Elaines Selbstbehauptungskursen ihrem Typen gesagt hat, er soll sich zum Teufel scheren, und der hat dann Elaine dafür verantwortlich gemacht. So was in der Art. Jeder x-beliebige, der wußte, wo sie wohnte, hätte es tun können.«
»Und der wußte, daß sie einen Milchmann hatte«, ergänzte Kevin.
»Das ist nichts Ungewöhnliches. Die meisten Yuppies haben einen Milchmann, weil es praktisch ist, und ebenso viele Familien mit Kindern. Und ein paar Leuten gefällt es einfach. Außerdem sind die Glasflaschen umweltfreundlicher. Es muß mindestens zwei Molkereien geben, die diese Gegend beliefern.«
»Wenn also jemand wußte, daß sie Hüttenkäse geliefert bekam...«
»Ja«, unterbrach ich ihn, »dann war es entweder jemand, der mal bei ihr zu Hause war, den Hüttenkäse vielleicht im Kühlschrank gesehen und sie danach gefragt hat, oder einfach wußte, daß man diese Sorte nur von Pleasant Valley bekommt. Oder aber es war jemand, der in Elaines Milchbehälter nachgesehen hatte, nachdem der Milchmann da war und bevor sie die Sachen hereingeholt hat. Weißt du Kevin, das könnte eine recht lange Zeitspanne ergeben. Diese Behälter sind innen isoliert. Man kann die Milchprodukte Stunden, sogar einen ganzen Tag lang da drin stehen lassen. Nehmen wir an, der Milchmann kam morgens. Wenn Elaine in ihr Büro ging, stand der Hüttenkäse wahrscheinlich draußen, bis sie zurückkam. Du müßtest also mal mit dem Milchmann reden.«
»Tatsächlich? Darauf wäre ich nie gekommen.«
»Er ist nett«, meinte ich, »jedenfalls, wenn es derselbe ist, der zu mir kommt. Wahrscheinlich ist er es, es muß dieselbe Route sein. Er ist wirklich nett und wird sich die Sache wahrscheinlich schrecklich zu Herzen nehmen. So wie die Molkerei, nehme ich an, falls die Geschichte in die Zeitung kommt. Und jeder hätte herausfinden können, wo sie wohnt. Ihre Adresse stand im Telefonbuch. Ich weiß es, weil ich neulich selbst nach ihrer Nummer gesucht habe.
»Tja, tatsächlich jeder«, wiederholte er. »Jeder, der ihren Tod wollte. Aber noch etwas: Ich habe herausgefunden, wer diese Patientin von ihr war.«
»Und?«
»Sie starb tatsächlich auch an einer Überdosis. Komische Zufälle gibt es. Ihr Name war Donna Zalewski. Sie hat eine Überdosis Sinequan genommen.«
»Genau wie Elaine?«
»Genau wie Elaine.«
»Die Geschichte hat nur einen Haken«, sagte Rita. »Es ist zufällig so, daß Elaine gar keinen Hüttenkäse mochte.«
»Woher weißt du das?« fragte ich sie.
Wir saßen in Ritas Wohnzimmer, das sich direkt über meinem befand. Die beiden Räume hatten zwar den gleichen Grundriß und in beiden befand sich ein Kamin, aber ansonsten glichen sie sich nicht im geringsten. Sie sahen vielmehr aus wie die Vorher- und die Nachher-Version in einer Zeitschrift für schöneres Wohnen. Mein Wohnzimmer ist die Vorher-Variante. Es gibt darin praktisch nur ein Sofa und eine ordinäre Deckenlampe. Rita besitzt farblich aufeinander abgestimmte Möbel aus Geschäften wie Bloomingdale's. Wenn ich es mir genau überlege, sieht Rita selbst so aus wie das Nachher-Foto aus der Serie »Machen Sie das Beste aus Ihrem Typ«, und ich immer wie die auf dem Vorher-Bild.
»Ich habe dir doch erzählt, daß ich sie von dieser Supervisionsgruppe kannte.« Rita trug ihr einziges Paar Jeans und einen weißen Strickpullover. Für einen geruhsamen Vormittag zu Hause hatte sie ein Paar handgearbeitete Goldohrringe und eine dazu
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