Dem Sieger eine Handvoll Erde
Wagen schlugen und ölige Rauchwolken emporstiegen, mit einer Geschwindigkeit von immer noch etwa zweihundert Stundenkilometern, quer über die Fahrbahn und krachte mit dem Heck gegen die Leitplanken auf der anderen Seite. Der Ferrari rutschte trudelnd noch zweihundert Meter weiter über die Fahrbahn, überschlug sich zweimal und kam schließlich auf allen vier geplatzten Reifen zum Stehen. Jethou saß noch im Cockpit, aber zu diesem Zeitpunkt war er höchstwahrscheinlich bereits tot. Und in diesem Augenblick wechselte die Farbe der Flammen von rot auf weiß.
Es stand außer Frage, daß Harlow für Jethous Tod allein verantwortlich war. Doch Harlow war mit elf gewonnenen Grand-Prix-Rennen in siebzehn Monaten anerkanntermaßen der beste Rennfahrer der Welt, und man klagt den besten Rennfahrer der Welt nicht an. So etwas tut man einfach nicht. Der tragische Vorfall wurde als ›höhere Gewalt‹ bezeichnet, dann senkte sich der Vorhang über die Szene.
II
Franzosen neigen, auch wenn sie überhaupt nicht erregt oder angespannt sind, kaum dazu, ihre Gefühle zu verbergen. Und die Menschenmenge, die sich an jenem Tag in Clermont-Ferrand versammelt hatte, war äußerst angespannt und aufs höchste erregt und keineswegs in der Stimmung, ihre gallische Mentalität zu verleugnen. Als Harlow von der Untersuchung zurückkam und mit gesenktem Kopf entlang der Rennstrecke zur Coronado-Box zurückschlurfte, brach die Hölle los. Die Buhrufe, die Zischlaute, die Schimpfworte und Wutausbrüche, gepaart mit echt gallischem Fäusteschütteln, waren regelrecht beängstigend. Es war nicht nur eine häßliche Szene, es schien vielmehr, als sei nur noch eine Winzigkeit nötig, um die Rachegefühle gegen Johnny Harlow in einen handgreiflichen Angriff ausarten zu lassen – und das war offensichtlich auch den Polizeibeamten klar; denn sie scharten sich eng um Harlow, um ihm soviel Schutz wie möglich zu bieten. Allerdings zeigte der Ausdruck auf ihren Gesichtern, daß sie ihre Aufgabe nicht gerade mit Begeisterung erfüllten, und aus der Tatsache, daß sie alle den Kopf von Harlow abgewandt hatten, ließ sich unschwer schließen, daß sie die Gefühle ihrer Landsleute durchaus teilten.
Ein paar Schritte hinter Harlow ging, flankiert von Dunnet und MacAlpine, noch ein Mann, der offensichtlich ebenso fühlte wie die Polizisten und die Zuschauer. Er trug den gleichen Overall wie Harlow und ließ seinen Sturzhelm am Kinnriemen zornig kreisen: Nicola Tracchia, der zweite Fahrer der Coronado-Mannschaft. Tracchia sah geradezu empörend gut aus mit seinen schwarzen Locken, den blendend weißen Zähnen, die Werbemanager von Zahnpastafabriken niemals als Reklame zu bringen wagten, und der Sonnenbräune, bei deren Anblick jeder Bademeister vor Neid grün geworden wäre. Augenblicklich sah er jedoch nicht so strahlend aus wie sonst, sondern machte ein ausgesprochen finsteres Gesicht. Und dieses finstere Gesicht war berühmt; wer es zu sehen bekam, reagierte darauf mit Respekt, Schrecken oder echter Angst. Tracchia hatte eine schlechte Meinung von seinen Mitmenschen und betrachtete den größten Teil – und vor allem auch seine Konkurrenten – als geistig zurückgeblieben.
Daraus folgte, daß er nur einen sehr begrenzten Bekanntenkreis hatte. Und was noch schlimmer für Tracchia war: Er hatte einsehen müssen, daß er, obwohl ein fabelhafter Fahrer, doch nicht ganz an Harlows Leistungen herankam. Schier unerträglich war ihm die Gewißheit, daß er diesen winzigen Unterschied nie würde ausgleichen können, gleichgültig, wie verzweifelt er es auch versuchte. Als er sich jetzt an MacAlpine wandte, gab er sich keine Mühe, seine Stimme zu senken, was unter den gegebenen Umständen auch gar nicht nötig war, denn bei dem ohrenbetäubenden Tumult konnte Harlow ihn ohnehin auf keinen Fall verstehen. Doch es war offensichtlich, daß Tracchia seine Stimme auch unter anderen Umständen nicht gesenkt hätte. »Höhere Gewalt!« Die bittere Fassungslosigkeit in seiner Stimme war echt. »Du lieber Himmel! Haben Sie gehört, wie diese Kretins die Sache bezeichnet haben? Höhere Gewalt! Ich nenne es Mord!«
»Aber nicht doch, mein Junge.« MacAlpine legte die Hand auf Tracchias Schulter, aber der schüttelte sie wütend ab. »Im äußersten Fall fahrlässige Tötung. Und nicht einmal das. Sie wissen doch selbst, wie viele Grand-Prix-Fahrer in den letzten vier Jahren ums Leben gekommen sind, weil ihre Wagen plötzlich verrückt spielten.«
»Verrückt!
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