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Dem Sieger eine Handvoll Erde

Dem Sieger eine Handvoll Erde

Titel: Dem Sieger eine Handvoll Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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gewinnen würden – weil sie gar nicht die Absicht hatten, es noch einmal zu versuchen –, sondern nur noch weiterfuhren, um den Schein zu wahren. Aber es gibt ein paar Dinge, die man in der Welt der Rennfahrer nicht tut, und eines dieser Dinge ist, daß man einen Mann nicht von der Grand-Prix-Liste streicht, weil er mit den Nerven fertig ist.
    Aber daß MacAlpine öfter recht als unrecht hatte, bewies auf traurige Weise der Anblick der zitternden Gestalt, die auf der Bank kauerte. Wenn jemand den Gipfel überschritten und die Grenze des Erträglichen hinter sich gelassen hatte, bevor er in den Abgrund der Selbstaufgabe und resignierten Annahme der endgültigen Niederlage stürzte, dann war es Johnny Harlow, der Goldjunge der Grand-Prix-Strecken, unfraglich bis zu diesem Nachmittag der beste Fahrer seiner Zeit und – wie immer häufiger behauptet wurde – aller Zeiten: Jetzt – Weltmeister des letzten und, nach menschlichem Ermessen, auch dieses Jahres, die Hälfte der Grand-Prix-Rennen hatte er noch vor sich – schien Harlow völlig gebrochen, sein nervlicher Zustand besorgniserregend zu sein. MacAlpine und Dunnet war klar, daß das verkohlte Etwas, das einmal Isaac Jethou gewesen war, ihn ein Leben lang verfolgen würde.
    Aber Harlows Zusammenbruch geschah nicht von heute auf morgen. Für diejenigen, die die Augen offenhielten, hatte es bereits einige Anzeichen gegeben, und die meisten Fahrer und Mechaniker hielten die Augen offen. Seit dem zweiten Grand-Prix-Rennen der Saison, das er überlegen gewonnen hatte, ohne zu wissen, daß sein jüngerer Bruder – ein hervorragender Fahrer – von der Bahn gedrängt worden und mit über zweihundert Stundenkilometern gegen einen Baum gerast war, wonach sein Wagen nur noch ein Drittel der ursprünglichen Länge hatte, waren die Anzeichen dagewesen. Er war nie ein besonders geselliger Mensch gewesen, aber danach zog er sich noch mehr zurück und wurde immer wortkarger, und wenn er lächelte – was selten geschah –, dann lächelte er das leere Lächeln eines Mannes, der in seinem Leben nichts finden konnte, worüber er wirklich hätte lächeln können. War er früher ein Muster an eiskalter Berechnung und auf ein Höchstmaß an Sicherheit bedacht gewesen, so waren nach dem Tod seines Bruders seine Richtlinien nicht mehr so streng und seine Sicherheitsbestrebungen viel geringer als früher gewesen. Und dennoch hatte er auf den Rennstrecken Europas weiterhin einen Rundenrekord nach dem anderen gebrochen. Aber seine Rekorde, die ihm eine Grand-Prix-Trophäe nach der anderen einbrachten, gingen auf Kosten seiner Konstitution und seiner Konkurrenten. Sein Fahrstil war rücksichtslos und immer halsbrecherischer geworden, und die anderen Fahrer begannen, obwohl sie allesamt harte und erfahrene Rennfahrer waren, sich allmählich vor ihm zu fürchten und gewöhnten sich an, sich in Sicherheit zu bringen, wenn sie seinen limonengrünen Coronado in ihren Rückspiegeln näherkommen sahen. Das war allerdings nur sehr selten der Fall, denn Harlow hatte ein sehr einfaches Rezept, um ein Rennen zu gewinnen: sich an die Spitze zu setzen und dort zu bleiben.
    Inzwischen wurden immer mehr Stimmen laut, die sagten, daß sein selbstmörderischer Fahrstil auf den Rennstrecken kein Kampf gegen seine Konkurrenten, sondern gegen sich selbst sei. Und in letzter Zeit war es immer deutlicher geworden, daß er diesen Kampf niemals gewinnen würde, daß diese Auflehnung gegen seine versagenden Nerven nur ein Ende haben konnte, nämlich, daß ihn das Glück eines Tages verlassen würde. Und es hatte ihn verlassen, und Isaac Jethou ebenfalls. Und Johnny Harlow hatte – gut sichtbar für alle – seine letzte Schlacht auf den Grand-Prix-Rennstrecken Europas und Amerikas verloren. Vielleicht würde er eines Tages wieder auf die Strecke gehen, vielleicht würde er den Kampf wiederaufnehmen. Aber es schien sicher zu sein, daß niemand so gut wußte, daß der Kampf vorüber war, wie Johnny Harlow selbst.
    Zum dritten Mal griff Harlow nach der Flasche, das Zittern seiner Hände hatte nicht nachgelassen. Die vorher volle Flasche war inzwischen ein Drittel leer, aber Harlows Bewegungen waren so unkontrolliert, daß nur ein Bruchteil dieser Menge den Weg in seine Kehle gefunden hatte. MacAlpine warf Dunnet einen ernsten Blick zu, zuckte resigniert die Achseln und blickte dann zu den Boxen hinaus. Eine Ambulanz war gerade angekommen, um seine Tochter abzuholen, und als MacAlpine hinauseilte,

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