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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Tier. Aber auch wir sind in einem verhältnismäßig recht engen Kreis gebunden und können nicht darüber hinaus. Ich kann wohl das und das phantasieren, mir etwa einbilden, ich wolle unbedingt an den Nordpol kommen, oder so etwas, aber ausführen und genügend stark wollen kann ich dasnur, wenn der Wunsch ganz in mir selber liegt, wenn wirklich mein Wesen ganz von ihm erfüllt ist. Sobald das der Fall ist, sobald du etwas probierst, was dir von innen heraus befohlen wird, dann geht es auch, dann kannst du deinen Willen anspannen wie einen guten Gaul. Wenn ich zum Beispiel mir jetzt vornähme, ich wolle bewirken, daß unser Herr Pfarrer künftig keine Brille mehr trägt, so geht das nicht. Das ist bloß eine Spielerei. Aber als ich, damals im Herbst, den festen Willen bekam, aus meiner Bank da vorne versetzt zu werden, da ging es ganz gut. Da war plötzlich einer da, der im Alphabet vor mir kam und der bisher krank gewesen war, und weil jemand ihm Platz machen mußte, war natürlich ich der, der es tat, weil eben mein Wille bereit war, sofort die Gelegenheit zu packen.«
    »Ja«, sagte ich, »mir war es damals auch ganz eigentümlich. Von dem Augenblick an, wo wir uns füreinander interessierten, rücktest du mir immer näher. Aber wie war das? Anfangs kamst du doch nicht gleich neben mich zu sitzen, du saßest erst ein paarmal in der Bank da vor mir, nicht? Wie ging das zu?«
    »Das war so: ich wußte selber nicht recht, wohin ich wollte, als ich von meinem ersten Platz weg begehrte. Ich wußte nur, daß ich weiter hinten sitzen wollte. Es war mein Wille, zu dir zu kommen, der mir aber noch nicht bewußt geworden war. Zugleich zog dein eigener Wille mit und half mir. Erst als ich dann da vor dir saß, kam ich darauf, daß mein Wunsch erst halb erfüllt sei – ich merkte, daß ich eigentlich nichts anderes begehrt hatte, als neben dir zu sitzen.«
    »Aber damals ist kein Neuer eingetreten.«
    »Nein, aber damals tat ich einfach, was ich wollte, und setzte mich kurzerhand neben dich. Der Junge, mit dem ich den Platz tauschte, war bloß verwundert und ließ mich machen. Und der Pfarrer merkte zwar einmal, daß es da eine Änderung gegeben habe – überhaupt, jedesmal, wenn er mit mir zu tun hat, plagt ihn heimlich etwas, er weiß nämlich, daß ich Demian heiße und daß es nicht stimmt, daß ich mit meinem D im Namen da ganz hinten unterm S sitze! Aber das dringt nicht bis in sein Bewußtsein, weil mein Wille dagegen ist und weil ich ihn immer wieder daran hindere. Er merkt es immer wieder einmal, daß da etwas nicht stimmt, und sieht mich an und fängt an zu studieren, der gute Herr. Ich habe da aber ein einfaches Mittel. Ich seh ihm jedesmalganz, ganz fest in die Augen. Das vertragen fast alle Leute schlecht. Sie werden alle unruhig. Wenn du von jemand etwas erreichen willst und siehst ihm unerwartet ganz fest in die Augen, und er wird gar nicht unruhig, dann gib es auf! Du erreichst nichts bei ihm, nie! Aber das ist sehr selten. Ich weiß eigentlich bloß einen einzigen Menschen, bei dem es mir nicht hilft.«
    »Wer ist das?« fragte ich schnell.
    Er sah mich an mit den etwas verkleinerten Augen, die er in der Nachdenklichkeit bekam. Dann blickte er weg und gab keine Antwort, und ich konnte, trotz heftiger Neugierde, die Frage nicht wiederholen.
    Ich glaube aber, daß er damals von seiner Mutter sprach. – Mit ihr schien er sehr innig zu leben, sprach mir aber nie von ihr, nahm mich nie mit sich nach Hause. Ich wußte kaum, wie seine Mutter aussah.
    Manchmal machte ich damals Versuche, es ihm gleichzutun und meinen Willen auf etwas so zusammenzuziehen, daß ich es erreichen müsse. Es waren Wünsche da, die mir dringend genug schienen. Aber es war nichts und ging nicht. Mit Demian davon zu sprechen, brachte ich nicht über mich. Was ich mir wünschte, hätte ich ihm nicht gestehen können. Und er fragte auch nicht. Meine Gläubigkeit in den Fragen der Religion hatte inzwischen manche Lücken bekommen. Doch unterschied ich mich in meinem durchaus von Demian beeinflußten Denken sehr von dem meiner Mitschüler, welche einen völligen Unglauben aufzuweisen hatten. Es gab einige solche, und sie ließen gelegentlich Worte hören wie, daß es lächerlich und menschenunwürdig sei, an einen Gott zu glauben, und Geschichten wie die von der Dreieinigkeit und von Jesu unbefleckter Geburt seien einfach zum Lachen, und es sei eine Schande, daß man heute noch mit diesem Kram hausieren gehe. So dachte ich keineswegs. Auch

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