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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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seines Mantels, den er nicht abgelegt hatte, und zog ein paar gebratene Kastanien heraus, die er mir hinwarf.
    Ich sagte nichts, nahm sie und aß und war sehr zufrieden.
    »Also!« flüsterte er nach einer Weile. »Woher wissen Sie von – ihm?«
    Ich zögerte nicht, es ihm zu sagen.
    »Ich war allein und ratlos«, erzählte ich. »Da fiel mir ein Freund aus früheren Jahren ein, von dem ich glaube, daß er sehr viel weiß. Ich hatte etwas gemalt, einen Vogel, der aus einer Weltkugel herauskam. Den schickte ich ihm. Nach einiger Zeit, als ich nicht mehr recht daran glaubte, bekam ich ein Stück Papier in die Hand, darauf stand: Der Vogel kämpft sich aus dem Ei. Das Ei ist die Welt. Wer geboren werden will, muß eine Welt zerstören. Der Vogel fliegt zu Gott. Der Gott heißt Abraxas.«
    Er erwiderte nichts, wir schälten unsere Kastanien und aßen sie zum Wein.
    »Nehmen wir noch einen Schoppen?« fragte er.
    »Danke, nein. Ich trinke nicht gern.«
    Er lachte, etwas enttäuscht.
    »Wie Sie wollen! Bei mir ist es anders. Ich bleibe noch hier. Gehen Sie jetzt nur!«
    Als ich dann das nächste Mal nach der Orgelmusik mit ihm ging, war er nicht sehr mitteilsam. Er führte mich in einer alten Gasse durch ein altes, stattliches Haus empor und in ein großes, etwas düsteres und verwahrlostes Zimmer, wo außer einem Klavier nichts auf Musik deutete, während ein großer Bücherschrank und Schreibtisch dem Raum etwas Gelehrtenhaftes gaben.
    »Wieviel Bücher Sie haben!« sagte ich anerkennend.
    »Ein Teil davon ist aus der Bibliothek meines Vaters, bei dem ich wohne. – Ja, junger Mann, ich wohne bei Vater und Mutter, aber ich kann Sie ihnen nicht vorstellen, mein Umgang genießt hier im Hause keiner großen Achtung. Ich bin ein verlorener Sohn, wissen Sie. Mein Vater ist ein fabelhaft ehrenwerter Mann, ein bedeutender Pfarrer und Prediger in hiesiger Stadt. Und ich, damit Sie gleich Bescheid wissen, bin sein begabter und vielversprechender Herr Sohn, der aber entgleist und einigermaßen verrückt geworden ist. Ich war Theologe und habe kurz vor dem Staatsexamen diese biedere Fakultät verlassen. Obgleich ich eigentlich noch immer beim Fach bin, was meine Privatstudien betrifft. Was für Götter die Leute sich jeweils ausgedacht haben, das ist mir noch immer höchst wichtig und interessant. Im übrigen bin ich jetzt Musiker und werde, wie es scheint, bald eine kleinere Organistenstelle bekommen. Dann bin ich ja auch wieder bei der Kirche.«
    Ich schaute an den Bücherrücken entlang, fand griechische, lateinische, hebräische Titel, soweit ich beim schwachen Licht der kleinen Tischlampe sehen konnte. Inzwischen hatte sich mein Bekannter im Finstern bei der Wand auf den Boden gelegt und machte sich dort zu schaffen.
    »Kommen Sie«, rief er nach einer Weile, »wir wollen jetzt ein wenig Philosophie üben, das heißt das Maul halten, auf dem Bauche liegen und denken.«
    Er strich ein Zündholz an und setzte in dem Kamin, vor dem er lag, Papier und Scheite in Brand. Die Flamme stieg hoch, er schürte und speiste das Feuer mit ausgesuchter Umsicht. Ichlegte mich zu ihm auf den zerschlissenen Teppich. Er starrte ins Feuer, das auch mich anzog, und wir lagen schweigend wohl eine Stunde lang auf dem Bauch vor dem flackernden Holzfeuer, sahen es flammen und brausen, einsinken und sich krümmen, verflackern und zucken und endlich in stiller, versunkener Glut am Boden brüten.
    »Das Feueranbeten war nicht das Dümmste, was erfunden worden ist«, murmelte er einmal vor sich hin. Sonst sagte keiner von uns ein Wort. Mit starren Augen hing ich an dem Feuer, versank in Traum und Stille, sah Gestalten im Rauch und Bilder in der Asche. Einmal schrak ich auf. Mein Genosse warf ein Stückchen Harz in die Glut, eine kleine, schlanke Flamme schoß empor, ich sah in ihr den Vogel mit dem gelben Sperberkopf. In der hinsterbenden Kaminglut liefen golden glühende Fäden zu Netzen zusammen, Buchstaben und Bilder erschienen, Erinnerungen an Gesichter, an Tiere, an Pflanzen, an Würmer und Schlangen. Als ich, erwachend, nach dem andern sah, stierte er, das Kinn auf den Fäusten, hingegeben und fanatisch in die Asche.
    »Ich muß jetzt gehen«, sagte ich leise.
    »Ja, dann gehen Sie. Auf Wiedersehen!«
    Er stand nicht auf, und da die Lampe gelöscht war, mußte ich mich mit Mühe durchs finstere Zimmer und die finsteren Gänge und Treppen aus dem verwunschenen alten Hause tasten. Auf der Straße machte ich halt und sah an dem alten Hause hinauf. In

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