Demonica - Ione, L: Demonica
Prolog
Vor drei Jahren …
»Er ist hinüber. Hören wir auf .«
Shade ignorierte seine Partnerin und presste den Brustkorb des Gestaltwandlers weiter in regelmäßigen Abständen zusammen. Jedes Mal knirschten gebrochene Rippen unter seinen Handflächen.
Eins-eintausend, pressen , zwei-eintausend, pressen . Shades eigenes Herz klopfte wild und schien genug Blut durch seine Adern zu pumpen, um den lavabetriebenen thermalen Generator des Underworld General anzutreiben, doch auf das Herz des Patienten sprang kein Funke über. Drei-eintausend, p ressen. Nachdem er jetzt schon Gott weiß wie lange in der Blutlache neben seinem Patienten kniete, schmerzte Shades Oberschenkelmuskulatur höllisch. Vier-eintausend, pressen.
Ein Prickeln breitete sich über dem Dermoire aus, das seinen Arm von der rechten Schulter bis zur Hand überzog, während er seine besondere Gabe dazu einsetzte, das Herz des Patienten wieder zum Schlagen zu bringen.
»Hör schon auf, Shade .« Skulk, Shades Halbschwester, Sanitäterin und seine Partnerin im Rettungswagen, legte ihm die zierliche graue Hand auf den Arm. »Wir haben getan, was wir konnten .«
Das Wissen, dass Skulk recht hatte, machte es auch nicht leichter aufzugeben, und Shade hatte nicht einmal mehr genug Atem in den Lungen, um darüber zu fluchen. Keuchend stellte er seine Wiederbelebungsversuche ein und hockte sich auf dem mit Dreck übersäten Boden der verlassenen Brauerei auf die Fersen. Von der Anstrengung zitterten ihm die Arme, und das Stethoskop fühlte sich wie ein Mühlstein um seinen Hals an.
Mit knirschenden Zähnen blickte er in die glasigen Augen des verstorbenen Patienten. Das Opfer war praktisch noch ein Kind. Höchstens vierzehn. Er hatte vermutlich gerade erst gelernt, wie er sich aus seiner menschlichen Gestalt in die Spezies verwandelte, der seine Familie angehörte. Das verräterische Geburtsmal eines wahren Wandlers, ein rotes, sternförmiges Mal hinter dem linken Ohr, schien noch nicht einmal vollständig ausgeformt zu sein.
»Das ist doch Scheiße « , murmelte Shade. Er stand auf. Neben ihnen standen die beiden Falschen Engel, die das Krankenhaus informiert hatten; ihr liebreizendes, jungfräuliches Erscheinungsbild stand in seltsamem Kontrast zu dem unheilvollen Glitzern in ihren Augen.
»Ihr habt nicht gesehen, wer ihn hier abgeladen hat ?« , fragte er.
Einer der Hochstapler-Engel schüttelte den Kopf, sodass ihr goldenes Haar wispernd über den Stoff ihres weißen Gewands strich. »Er lag einfach nur da. Friedlich .«
»Auf dich macht er also einen friedlichen Eindruck? Wo ihm die Hälfte seiner Organe fehlt ?«
Der andere Falsche Engel lächelte. »Was sind wir heute wieder empfindlich .« Ihr Finger glitt aufreizend über den tiefen Ausschnitt ihres Gewands, das kein wahrer Engel tragen würde. »Wie wäre es, wenn wir dir helfen, dich ein bisschen zu entspannen, Inkubus ?«
»Ja « , schnurrte die andere. »Männer in Uniform haben mir schon immer gefallen .«
Der erste Falsche Engel nickte. »Veragoth treibt sich einfach zu gern auf Polizeirevieren herum .«
»Mmm … « Der Engel mit dem Namen Veragoth wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger und ließ einen gierigen Blick über Shade gleiten, vom Gesicht bis zu seinen Füßen. »Aber so langsam glaube ich, dass ich mich vielleicht doch lieber an euch Sanitäter halten sollte .«
O ja, seine schwarze Uniform im Stil eines Kampfanzugs machte alle Frauen heiß, sogar wenn er gerade mal nicht die Fick-mich-Pheromone ausströmte, die zur Standardausrüstung eines Seminus-Dämons gehörten. Ausnahmsweise verspürte Shade allerdings nicht die geringste Lust, sich in Gegenwart zweier bezaubernder Frauen auszuziehen. Er war erschöpft, wütend und hatte die Nase gestrichen voll von dieser neuen Welle von Verstümmelungen an Dämonen. Das Schlimmste daran war, dass es so ziemlich allen am Arsch vorbeiging, dass irgendjemand Dämonen wegen ihrer Organe ausschlachtete, die dann auf dem Schwarzmarkt der Unterwelt verhökert wurden. So was hatte es schon immer gegeben, doch das interessierte kaum jemanden.
Shade schon.
Er war der Idiot, der dann an den Tatort gerufen wurde, auch wenn es ihm nur in den seltensten Fällen gelang, den Tod des Opfers zu verhindern. Die meisten waren zu schwer verletzt. Oder bereits tot.
Skulk steckte ihr Funkgerät wieder ins Holster und durchwühlte die Notfalltasche auf der Suche nach einem neuen Paar Handschuhe. »Da sich Wandler über der Erde nicht
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