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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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Moments in der Schwulenbewegung gewesen. Die Stammgäste des Clubs,
     die die ewigen Schikanen durch die Polizei satt gehabt hatten, hatten sich während einer Razzia gewehrt und der Aufstand hatte
     mehrere Tage gedauert. Die Schwulen hatten sich geweigert, sich weiterhin unsichtbar zu machen; in einer Zeit, in der der
     Amerikanische Psychiatrieverband Homosexualität als psychische Störung klassifizierte, war das keine Kleinigkeit. Die Unruhen
     zwangen den Rest des Landes, die Existenz der Schwulen zu akzeptieren, und förderten die Entstehung Hunderter Gruppen für
     Schwulenrechte.
    Für die Erweckungsbewegung war das ein furchteinflößendes Märchen, wie so ziemlich alles, was während der Sechzigerjahre passiert
     war. Die Regierung hätte die ganze Gegend (und den größten Teil des Village) am liebsten plattgemacht, aber sie gab sich damit
     zufrieden, ihr den Status eines Nationalen Geschichtsdenkmals abzuerkennen. Ersatzweise wurde im Christopher Park ein kleines,
     oft besudeltes Schild aufgestellt, auf dem der »Opfer des schwulen Terrorismus« gedacht wurde. Es war kein Zufall, dass die
     Erweckungsbewegung diesen Ort hier gewählt hatte, um Schwule und Lesben aufzufordern, sich wieder im stillen Kämmerlein zu
     verkriechen.
    Die Gegend um den Christopher Park sah aus wie das Epizentrum eines Bandenkriegs. Die Demonstration, der sich Captain Fred
     und seine Männer angeschlossen hatten, war mit einer Gegendemonstration zusammengestoßen, und das Ergebnis war vorhersehbar
     gewalttätig. Die Prediger schrien sehr wenig von Frieden und Brüderlichkeit. Die Gläubigen waren die übliche Mischung aus
     Jungen und Alten, Wohlmeinenden und Hasserfüllten – es war ein Menschenschlag, der sich nicht mitten in einem Handgemenge
     in der Großstadt befinden sollte. Auf dem Weg zum Platz hatten sie zusammenmit ihren Transparenten auch etwas vom Mut ihrer Überzeugungen verloren. Jetzt sangen sie Hymnen und drängten sich schutzsuchend
     um ihre Priester. Keiner der seitengescheitelten jungen Daveys sah so aus, als wäre er scharf darauf, sich in die Auseinandersetzung
     zu stürzen.
    Die Gläubigen wurden von den
Heiligen Söhnen der Amerikanischen Freiheit
beschützt, so stand es auf den goldumrahmten Standarten, die von allenfalls dreizehnjährigen Jungen getragen wurden. Ein Adler
     schleppte ein Kreuz zum Mount Rushmore. Unter dem Kreuz standen die Namen der ruinierten, vergessenen Städte des Landesinneren:
     Cleveland, Fling, Raleigh und Cincinnati. Die Männer, die unter den Bannern marschierten (Frauen gab es nicht), trugen grüne
     Tarnkleidung. Mit Gummiknüppeln, Flaschen, Backsteinen und Schlaghölzern prügelten sie auf ihre Gegner ein. Beinahe jeder
     trug eine Pistole in einem Halfter am Oberschenkel, aber bisher hatten sie die Waffen noch nicht gezogen.
    Ihre Gegner trugen keine Uniformen. Sie hatten Jeans, Trainingsanzüge, Chinos und sogar Schlafanzüge an. Es hätte sich um
     eine x-beliebige Menschenmenge handeln können, wären da nicht die regenbogenfarbenen Fahnen gewesen, die sie schwenkten, um
     sich zu sammeln. Die Einwohner Chelseas waren nach draußen gekommen, um ihr Zuhause zu verteidigen. Frauen kämpften Seite
     an Seite mit Männern und benutzten dabei alles, was ihnen in die Hände fiel.
    Captain Fred hatte mich bemerkt, während ich die Szenerie in mich aufnahm. In seinen Augen war ich bereits ein anmaßender
     Jude, der nicht tun wollte, was die Bibel von ihm verlangte. Jetzt verdächtigte er mich auch noch homosexueller Tendenzen.
     Ich konnte sehen, wie er mit einigen seiner Soldaten redete, und beschloss, dass es Zeit wurde zu verschwinden. Ich schlüpfte
     in die nächstbeste Tür, eine Schwulenbar namens Sardinia.
    Sie war so leer und deprimierend wie alle Nachtclubs am Tag. Die bunten Lichter und die große Beschallungsanlage waren ausgeschaltet.
     Mitten auf der Tanzfläche stand ein partnerloser Wischmop in einem Eimer. An der hinteren Wand befand sich die Theke; die
     Weihnachtslichter, die über dem Spiegel dahinter hingen, waren die einzige Beleuchtung. Ich rief, und ein solariumgebräunter
     Mann in den Vierzigern tauchte hinter der Theke auf und zielte mit einer Schrotflinte auf meine Zähne. Im Spiegel sah ich,
     wie ich die Hände hob.
    »Sehe ich in Ihren Augen wie ein Spielzeugsoldat aus?«, fragte ich.
    Der Mann betrachtete mich aufmerksam und registrierte den zerkrumpelten Anzug, den Fedora, meine bleiche Haut und die Schatten
     unter meinen Augen. Er

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