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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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senkte seine Waffe. »Was macht ihr eigentlich alle hier?«
    »Ich versuche, zum Washington Square Park zu kommen«, sagte ich. »Ich habe dort einen Termin.«
    Sein Lachen war langgezogen und schleppend. »Da haben Sie sich aber verdammt noch mal einen schönen Tag zum Taubenfüttern
     ausgesucht. Die Polizei hat den Park und alle Subway-Stationen in der Nähe des Village geschlossen, rührt aber keinen Finger,
     um uns zu helfen. Wann machen die eigentlich mal ihren verdammten Job?«
    »Ich heiße Felix.«
    »Walt.«
    Wir reichten uns über die Theke hinweg die Hand. Das war eine subtile Prüfung meiner Einstellung: Jeder verkleidete Bigotte
     hätte gezögert.
    »Was zum Teufel ist hier eigentlich los?«
    »Eine große, vom Staat gesponsorte Schwulenjagd, das ist los. Vor einer halben Stunde sind sie hier einmarschiert und haben
     aus voller Kehle Hymnen gesungen und für unsere der Hölle geweihten Seelen gebetet.« Walt verdrehte die Augen.»Die hätten ebenso gut auf unsere Teppiche pinkeln und uns die Finger in die Augen stechen können.«
    Chelsea war der natürliche Ausgangspunkt für eine Säuberungskampagne. Als die Verfolgung durch die Regierung schlimmer geworden
     war, waren die meisten Schwulen, die es sich leisten konnten, ins Ausland abgewandert und hatten ihr Know-how und ihr Kapital
     mit sich genommen. Wer nicht auswandern wollte oder konnte, war in eine der wenigen verbliebenen Städte geflüchtet, in denen
     man hoffen konnte, in Ruhe gelassen zu werden. Sicherheitshalber hatten die Neuankömmlinge sich in traditionell schwulen Stadtvierteln
     niedergelassen und Chelsea zum größten homosexuellen Ghetto des Landes gemacht.
    »Und wer schlägt jetzt gegen die da draußen zurück?«
    Walt lächelte. »Die schwule und lesbische Selbstverteidigungsliga.« Selbst die Ältesten waren vor einem Gesetzesentwurf des
     Senats zurückgeschreckt, dem zufolge die religiöse und sexuelle Ausrichtung auf allen Pässen und Führerscheinen vermerkt werden
     sollte (Kinder, terroristische Tendenzen usw.), und so hatte die Regierung keine Möglichkeit, Schwulengruppierungen daran
     zu hindern, sich zu bewaffnen. Die Gruppen waren nicht nur wegen der Schikanen der Regierung beliebt geworden. Die Polizei
     schien das Interesse an Fällen von Körperverletzung zu verlieren, wenn eine falsche sexuelle Orientierung ans Tageslicht kam.
    »Ich glaube nicht, dass die Wochenendkrieger einen solchen Empfang erwartet haben«, sagte ich.
    Walt lächelte. »Es wärmt mir das Herz, zu sehen, wie all diese Regenbogenfahnen wieder durch die Straßen ziehen.« New York
     war die letzte amerikanische Stadt gewesen, die eine Schwulenparade hatte. Der Staat New York hatte das so peinlich gefunden,
     dass man die Parade schließlich abgeschafft hatte, indem man die Stadt New York mit derselbenfinanziellen Blockade bedrohte, die San Francisco ruiniert hatte.
    Ein Backstein flog durch eines der geschwärzten Frontfenster. »Vielen Dank auch, Schwanzlutscher«, schrie Walt und schickte
     eine Ladung Schrot nach draußen.
    Ich half Walt, einen Tisch umzudrehen und ihn vor das zerbrochene Fenster zu schieben. Einen weiteren Tisch schoben wir vor
     die Tür. Durch die zerbrochene Scheibe sahen wir Molotow-Cocktails durch die Luft fliegen und hörten dann das Geräusch von
     zerbrechendem Glas und prasselnden Flammen.
    »Mein Gott«, sagte Walt. »Die bewerfen alles mit Brandbomben.« So schlimm es auch gewesen war, heute betraten wir ein neues
     und dunkleres Territorium. In den meisten Städten provozierte man mit einem Regenbogen-Aufkleber eine polizeiliche Überprüfung
     oder einen Steinwurf, je nachdem, wie hoch die Arbeitslosigkeit in der Gegend war. New York war eine Ausnahme, und diese seltene
     Zurschaustellung von Stolz nutzten die Heiligen Söhne nun, um ihre Zielobjekte zu finden.
    Walt bemerkte die Beule unter meiner linken Schulter. »Ist das nur Show?«
    Ich war nicht mehr sicher. Das Kribbeln hatte sich bis zu meinen Händen ausgebreitet. Ich ballte die Fäuste so fest, dass
     die Nägel sich in meine Handflächen gruben, um das Zittern zu unterdrücken. Wenn es Probleme gab, wusste ich nicht, wie gut
     ich sein würde. »Falls jemand durch diese Tür kommt, werden wir es herausfinden.«
    Eine junge Frau sprang durch das Fenster auf der anderen Seite der Tür. Sie fiel hart hin, und stand nicht auf. Das Mädchen
     war groß, dünn und nicht älter als sechzehn. Ihr Haar war so golden wie das Kreuz um ihren Hals, abgesehen

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