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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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fürs Denken bezahlt.« Er reichte mir eine Karte, die
     bis auf sieben Ziffern leer war. »Wir würden es vorziehen, dass White uns direkt kontaktiert. Sollte er darauf bestehen, Sie
     als Vermittler zu verwenden, hinterlassen Sie seine Antwort unter dieser Nummer. Sollte es etwas geben, das wir Ihrer Meinung
     nach wissen sollten, hinterlassen Sie ebenfalls dort eine Nachricht. Die Leitung ist sicher.«
    Die Phalanx der Stillwater-Söldner hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Die Milizionäre, die ihnen gegenüberstanden, besaßen
     nicht dieselbe Disziplin: Sie blinzelten, traten von einem Bein aufs andere und schauten sich um. Ein paar sehnten sich schon
     nach einem warmen Ort für einen Drink, doch deren Zahl war geringer, als ich erwartet hätte. Die Söldner standen vollständig
     bewegungslos da und achteten nicht auf die Hymnen, Gebete und Rufe, die ihnen entgegenschallten. Der einzige Beweis, dass
     sie überhaupt lebten, waren ihre Atemwölkchen, Geister, die einen Moment lang vor ihren Gesichtern tanzten, bevor sie verschwanden.
    »Würden Sie sich wirklich für diesen Mann erschießen lassen?«, fragte ich Lim.
    Seine Antwort kam so rasch, dass ich merkte, dass er über diese Frage bereits nachgedacht hatte. »Jeder Mensch muss das Gefühl
     haben, Teil von etwas Größerem zu sein; das nimmt der Tatsache, dass man nur einer von Milliarden ist, ein wenig den Stachel.
     Der Preis, den man dafür bezahlt, ist das Bewusstsein, entbehrlich zu sein.«
    Ich war nicht der Meinung, Marcus Thorpe könne glauben, dass es irgendetwas Größeres als ihn selbst gab, aber ich begriff,
     worauf Lim hinauswollte, der sich bereits entfernte.
    »Beherzigen Sie den Rat meines Arbeitgebers und nehmen Sie Ihre Medizin«, drang seine Stimme irgendwie durch den Lärm der
     Passanten hindurch. »Wir haben immer noch eine Verabredung.«
    Ich hatte weder den arroganten Dummkopf Thorpe noch seine Kreatur nötig, um mir zu sagen, was ich brauchte. Thorpe hatte mich
     Zeit gekostet, die ich nicht hatte, und mir nichts Neues erzählt. Ich musste sofort zum Washington Square Park. Ohne die roten
     Tabletten stand meine Chance, es über den Nachmittag zu schaffen, eins zu eins, und sie wurde zum Abend hin immer schlechter,
     bis sie mit der untergehenden Sonne ganz verschwinden würde.
    Ich nahm die Subway Eins und fuhr Richtung Norden. Durch die Demonstrationen war die Bahn mit mehr ungehobelten Stadtfremden
     gefüllt als üblich. Es waren zum Glück nur ein paar Haltestellen und dann ein kurzer Gang zum Park, ich musste es also nicht
     lange mit ihnen aushalten. Zwei Milizionäre saßen neben mir auf dem orangefarbenen Kunststoffsitz. Der eine war in den Vierzigern.
     Der andere war kaum aus dem Highschool-Alter heraus.
    »Ein Typ aus Amarillo hat mir den hier erzählt: Wenn der Antichrist die Vereinten Nationen übernimmt, wo richtet er dann sein
     Hauptquartier ein?«
    »Keine Ahnung.«
    »Nirgends. Es ist schon in Babylon.« Der ältere Mann pisste sich vor Lachen fast in die Hosen. Sein junger Begleiter ließ
     sich mit der Antwort Zeit.
    »Das kapier ich nicht.«
    Ein Milizionär mit den Silberstreifen eines Captains am Kragen blieb neben mir stehen. Er war in den mittleren Jahren, unrasiert
     und trug noch immer seine verspiegelte Pilotenbrille. »Fred« war über der Brusttasche auf sein Hemd gestickt. Dieser Typ gehörte
     eigentlich in die Eisenwarenabteilung einesWalmart, wo er sich dem alten Traum hingeben konnte, eines Tages den ganzen Laden unter sich zu haben. Hinter seinem Kopf
     stellte eine Anzeige die Frage: »Sieht die Person neben Ihnen wie ein Terrorist aus?« Darunter stand eine kostenlose Nummer.
     Es gab keine spanische Übersetzung.
    Die Scherzbolde neben mir verstummten, sobald Fred auftauchte. Er schaute mich aufmerksam an, und die Rädchen in seinem Kopf
     ratterten lauter als die Subway auf den Schienen. Er versuchte, mich mit einem Typus in seinem Kopf in Übereinstimmung zu
     bringen, mit einem phrenologischen Entwurf von etwas, das er fürchtete oder nicht verstand. Ich hatte diesen Blick schon früher
     gesehen, aber es war das erste Mal, dass er auf mich gerichtet war.
    »Sind Sie Jude?«, fragte er.
    Ich beschloss, ihn nicht zu beachten. New York machte einen immun gegen alle möglichen unangenehmen Dinge und ich hatte größere
     Sorgen. In meinem Nacken kribbelte es. Das Kribbeln würde sich entlang meiner Nervenbahnen und durch meinen Körper ausbreiten.
     Der Sturm war im Anzug.
    »Ich

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