Den ersten Stein
angeboten.«
»Sie sind ein Veteran?«
»Ja, Ma’am. Ich war im Iran.« Ich sah, wie ihre Augen zu einem Poster wanderten, das sie an die Wand geheftet hatte. Ein Jesus-Christus-Doppelgänger
in einer hundert-Watt-weißen Robe lächelte auf mich hinunter. Er hatte die Arme um zwei Schauspieler gelegt, die vorgaben,
Soldaten zu sein: eine sinnliche Blondine in einer eng sitzenden Uniform und ein gebräunter Heldentyp mit kantigem Kinn. Ich
konnte nicht sehen, ob der Soldat das Objekt von Cecilys Begierde war oder Christus selbst: Beide waren Männer in Uniform.
Auf dem Wüstenhimmel prangte die Überschrift: »Jesus unterstützt unsere Helden im Heiligen Land.« Darunter standen in roten,
manichäischen Buchstaben die Worte: »Du auch?«
»Danke für Ihren Einsatz, Frank«, sagte Cecily mit einem Lächeln. »Darf ich Sie fragen, was Sie mit Ihrer Aussage zu erreichen
hoffen?«
»Na ja, ich dachte, Sie könnten Watkins unter Druck setzen und ihm klarmachen, dass diese Affäre eine schlechte Idee ist.
Er hat einen unguten Einfluss auf sie. Wenn er nicht da wäre, würde sie wieder auf den rechten Weg finden.«
Cecily warf mir einen Blick zu.
»Also ich sehe, was Sie jetzt denken, Cecily, und es ist einfach nicht wahr. Ich bin kein eifersüchtiger Casanova, der versucht,
seinen Rivalen aus dem Weg zu räumen.«
Cecily wollte mir glauben, war sich aber immer noch nicht sicher. Sie tippte wieder los. Ich beugte mich vor, um einen weiteren
kleinen Stoß gegen den Briefbeschwerer zu kaschieren.
»Tut mir leid, der Bericht ist vertraulich«, sagte sie und so lehnte ich mich wieder zurück. »Haben Sie mal mit dieser jungen
Dame geredet?«
»Oh, ich habe es versucht. Jedes Mal, wenn ich da bin, sage ich ihr, dass sie mehr Selbstachtung haben soll und auch ohne
kurze Röcke und Flirten klarkommt, aber sie hört nicht auf mich.« Ich knipste ein schlichtes, bescheidenes Lächeln an. »Ich
bin nur ein einfacher christlicher Mann. Ich finde nicht die richtigen Worte.«
»Würden Sie mir bitte den Namen der Frau sagen?«
»Also, das muss ich doch hoffentlich nicht tun. Ich möchte sie nicht in Schwierigkeiten bringen.«
»Sie steckt jetzt schon in Schwierigkeiten, Frank. Als guter Christ wissen Sie, dass Ihr Schweigen sie der Rettung keinen
Zentimeter näherbringt. Ihre Bekannte hat eine schwere Sünde begangen.«
»Also, das ist nicht ihre Schuld, dieser Mann …«
»Ich rede nicht über den Ehebruch, Frank«, sagte Cecily. »Dieser Watkins hat durch den Bruch seines Ehegelöbnisses schwer
gesündigt, aber die Frau hat sich etwas noch viel Schlimmeres zuschulden kommen lassen. Indem sie mit ihmschläft, um beruflich voranzukommen, prostituiert sie sich, beschmutzt ihren eigenen Körper und begeht die Sünde des Hochmuts.
Sie wehrt sich gegen Gottes Plan, der, wie wir beide wissen, für eine Frau bedeutet, dass sie einer schicklichen Arbeit nachgeht,
bis Ehe und Mutterschaft sie rufen.«
»Ist das das Schicksal jeder Frau?«
»Davon bin ich überzeugt.«
»Aber … die Dame am Empfangstisch hat Sie Schwester Cecily genannt.«
»Wir sind alle Brüder und Schwestern in Jesus, Frank. Dachten Sie etwa …« Cecily kicherte.
»Also, ich komm mir vor wie ein richtiger Esel, das sage ich Ihnen. Die ganze Zeit hab ich mich gefragt: ›Wie konnte so ein
hübsches Mädel nur Nonne werden?‹«
Die Schmeichelei ließ ihre Sommersprossen aufleuchten, die sie mit Make-up abzudecken versucht hatte. Konservative Mädchen
aus dem mittleren Westen waren immer für ein bisschen Pseudo-Südstaatencharme zu haben.
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung.«
Sie winkte angesichts meiner Zerknirschung freundlich ab, sagte aber nichts. Nach einer Weile ergriff Cecily meine rechte
Hand, und ich sorgte dafür, dass meine linke aus ihrem Sichtfeld verschwand. »Frank, Sie sind ein guter Mensch mit einem guten
Herzen, aber Sie können das nicht allein schaffen. Deshalb sind Sie zu uns gekommen. Wenn Ihre Bekannte das wundervolle Leben
führen soll, das Christus für sie vorgesehen hat, muss sie jetzt sofort den dunklen Weg verlassen.«
Sie war wirklich ein nettes Mädchen. Ich war nicht stolz auf das, was ich ihr würde antun müssen.
»Sie würden nur jemanden zu ihr schicken, um mit ihr zu reden?«, fragte ich.
»Das ist alles«, sagte Cecily, und wahrscheinlich glaubte sie das sogar selbst. Man würde eine gefallene Frau nicht verprügeln;da wusste der
Kreuzzug
viel raffinierter
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