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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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vorzugehen. Man würde nur mit ihr reden. Dann würde man noch mit einigen anderen Leuten sprechen, und die
     würden ihr kündigen oder Schlimmeres. Ein Glück für meine Bekannte, dass es sie gar nicht gab.
    »Vielleicht haben Sie Recht. Wenn jemand, der auch nur halb so beeindruckend ist wie Bruder Isaiah, ein Wort mit ihr redete,
     würde sie ihr Leben sofort ändern.« Ich strahlte die angemessene Dosis Optimismus aus, doch dann legte sich eine dunkle Wolke
     über mein Gesicht. »Cecily, verzeihen Sie mir die Frage, aber was, wenn sie sich nicht bessert?«
    »Wir werden sie zu Jesus zurückführen, Frank. Gemeinsam.«
    Ich versetzte dem Briefbeschwerer einen letzten Stoß.
    Der Kaffeebecher fiel vom Tisch und ihr auf den Schoß. Sie sprang mit einem Schrei auf. »Mann, oh   …!«, rief sie und unterdrückte die Obszönitäten, die eigentlich nötig gewesen wären, um ihren Schmerz auszudrücken.
    »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte ich.
    »Ich Dummkopf, ich muss den Becher umgestoßen haben«, sagte sie. »Ich bin gleich wieder zurück.« Cecily stürzte aus der Tür.
    Ich wartete ab, bis ich ihre Absätze draußen nicht mehr hörte, und ging dann um den Schreibtisch herum zu ihrem Computer.
     Sie war noch immer eingeloggt. Mein Bericht war beinahe fertig und die entsprechenden Sündenkategorien und ein paar weitere
     waren angekreuzt: Lüge, Ehebruch, Prostitution und obendrein noch ein bisschen Gotteslästerung. Meine ausgedachte, ganz gewöhnliche
     Geschichte würde sich verdammt eindrucksvoll in den Statistiken machen, mit denen sie im Fernsehen immer prahlten.
    Ich rief Smalls Datei auf. Die Akte sah vollständig aus, aber es stand nichts darin, was das Löschen wert gewesen wäre.Er hatte drei Jahre in Arkangel gedient und dort überwiegend russische Immigranten der ersten Generation bewacht. Ich konnte
     mich an keine größeren Zwischenfälle in der Nähe von Jenin oder Arkangel in dieser Zeit erinnern, aber es war schwierig, den
     Überblick darüber zu behalten, wer im Nahen Osten gerade was in die Luft sprengte. Jack war vor zwei Jahren mit dem Purple
     Heart ausgezeichnet worden und einen Monat später schon wieder im Dienst gewesen. Er hatte eine Auszeichnung dafür erhalten,
     dass er einen Kameraden während eines Raketenangriffs in Deckung gezerrt hatte, aber von weiteren Zwischenfällen war nicht
     die Rede. Das Pentagon gab Informationen genauso ungern nach außen weiter wie andere Bundesbehörden, es war also gut möglich,
     dass jemand die Datei gereinigt hatte, bevor sie überhaupt beim
Kreuzzug
ankam.
    Im Anhang an die Datei fanden sich Überwachungsberichte, die der
Kreuzzug
weiterzugeben versäumt hatte. Es gab Fotos von Jack vor seiner Wohnung in Queens, auf dem Weg zu seiner Arbeit als Wachmann
     in einem heruntergekommenen Einkaufszentrum und sogar ein paar Schnappschüsse von ihm, wie er in einem Warteraum der Behörde
     für Veteranen die Zeit totschlug. Der Raum war so heruntergekommen wie Jack selbst: verschlissene Sitzmöbel und Stockflecken
     an den Wänden. Der mopsgesichtige alte Mann hinter dem vergitterten Empfangstresen hätte auch ein Pfandhaus führen können.
     Der
Kreuzzug
hatte offiziell nicht die Befugnis, eine Vorlage der medizinischen Unterlagen zu verlangen, aber einer der
Kreuzzugs -Freunde
bei der Polizei hatte es versucht. Das Veteranenamt erklärte, das meiste sei verloren gegangen; nur Smalls Verschreibungen
     für massenhaft Antidepressiva und Antipsychotika befanden sich noch in der Datei.
    Ich war selbst oft genug auf diesen Ämtern gewesen. Die Angestellten hatten den gleichen Blick, wo immer ich hinging:grimmig, resigniert und mit Augen, denen schon der Typ, der vor mir dran war, den letzten Rest ihres Mitgefühls geraubt hatte.
     Hätte eine Mine mir das Bein abgerissen, hätten sie mir ein neues aus Kunststoff verpasst. Wenn aber Leute mit dem Syndrom
     kamen, wussten sie einfach nicht, welches Teil sie ersetzen sollten. Also erklärten sie mich für geheilt und schmissen mich
     aus dem Krankenhaus. Als ambulanter Patient schlurfte ich von einem Wartezimmer ins nächste und las alte Ausgaben von
American Sportsman
, bis ich die Botschaft endlich begriff. Schon vor dem Krieg hatten sich Risse im System gezeigt; die Teheran-Jungs waren
     die Sintflut, die es zum Einsturz brachten.
    Ich druckte aus, was ich brauchte, und steckte mir die Seiten in die Hose. Ich hatte auf Cecilys Absätze im Korridor gelauscht,
     aber die Schritte, die ich hörte,

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