Den ersten Stein
finanzieren, indem wir ihre Frauen und Kinder auf die Gehaltslisten unserer Denkfabriken
und Vereinigungen setzen. Man muss ihnen nur den Geldhahn zudrehen, dann werden ihre Hypotheken schon die Arbeit für uns erledigen.«
Thorpe starrte aus dem Fenster. In fast der gleichen Haltung hatte ihn letztes Jahr eine Wirtschaftszeitschrift auf ihrem
Cover abgebildet. Der Titel des Artikels, »Straßen kämpfer «, hatte in großen Buchstaben neben ihm geprangt. Das war ein wiederkehrender Topos in der Berichterstattung der Finanzpresse
über Thorpe; eine bequeme Möglichkeit, dem Artikel etwas Farbe zu verleihen, indem man alle daran erinnerte, woher Thorpe
gekommen war.
»Lim hat mir die Highlights aus Ihrer Akte vorgelegt«, sagte Thorpe.
Allmählich fragte ich mich, ob es irgendjemanden in der Stadt gab, der meine angeblich geheime Dienstakte noch nicht gelesen
hatte. Vielleicht sollte ich sie einfach auf einer Reklametafel auf dem Times Square aushängen und allen die Mühe ersparen.
»Waren die Iraner, gegen die Sie gekämpft haben, religiöse Fanatiker?«
»Einige ja. Es gab aber auch viele Patrioten, die für ihr Vaterland kämpften. Der Unterschied verschwimmt da schnell.«
»Haben sie irgendwelche Rücksicht auf ihr eigenes Leben genommen?«
»Sie haben Kampfpanzer mit Kalaschnikows angegriffen«, sagte ich. »Ich denke, es kommt darauf an, wie man Tapferkeit definiert.«
»In Anbetracht Ihrer Erfahrung, Mr Strange, glauben Sie wirklich, wir könnten diese Verrückten aufhalten, indem wir ihnen
die Gehaltsschecks streichen?«
»Wir befinden uns nicht im Krieg mit ihnen«, gab ich zurück.
Thorpe hörte das Zögern in meiner Stimme so laut wie einen Gewehrschuss. Es war die einzige Gelegenheit, bei der sich die
Rolle, die ich spielte, mit meinen eigenen, auf Eis gelegten Überzeugungen deckte. »Sie wählen Ihre Worte sorgfältig, Strange.«
»Das ist mein Job.«
Thorpe nickte, aber er war in seine eigenen Gedanken versunken. »Wenn man lange genug in meinem Geschäft ist, denkt man schließlich,
alles sei verhandelbar«, sagte Thorpe. »Das ist die Krankheit des Geschäftsmannes. Ihre Bosse machen gerne große Sprüche.
In Übersee setzen sie Gangster auf ihre Gehaltsliste und schauen bewusst weg, aber sie haben nicht den Mut für einen Kampf
in ihrem Vorgarten. Sagen Sie Greg, er soll Sie wieder zu mir schicken, wenn er einenPlan für Erwachsene hat. Und sollten Sie irgendetwas über den
Kreuzzug
erfahren, egal was, kontaktieren Sie Mr Lim direkt. Sie werden feststellen, dass ich ein großzügiger Mann sein kann, wenn
es um die richtige Sache geht. Haben wir uns verstanden?«
Ich nickte. »Danke für den Drink«, sagte ich und schüttelte ihm die Hand. Ich spürte all den unsichtbaren Schmutz von Schmiergeldern
und dreckigen Spielchen, der sich unter diesen manikürten Fingernägeln angesammelt hatte.
»Wenn Ihre Bosse nicht bald aufwachen, werden sie noch versuchen, die Gewehre ihres Exekutionskommandos zu verkaufen, während
sie schon an die Wand gestellt sind.«
Ich nahm das als Stichwort zu gehen. Als ich die Tür aufmachte, schrie Thorpe in die Gegensprechanlage, die vom Klang seiner
Stimme aktiviert wurde: »Maureen, ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen Hongkong durchstellen, sobald der Anruf kommt.«
»Es ist kein Anruf gekommen, Sir«, kam es aus der Gegensprechanlage. »Soll ich selbst dort anrufen?«
Als ich die Tür zumachte, verdüsterte die Frage noch immer sein Gesicht. Vielleicht war es einfach ein Fehler, nur dass Männern
wie ihm keine Fehler passierten.
»Suchen Sie etwas?«, fragte Iris. Sie trug ein kurzes, schwarzes Kleid, mit Pailletten besetzt, die nur zu sehen waren, wenn
sie sich bewegte. Weitere Pailetten waren in ihrem Haar versteckt, das nach einem ausgeklügelten, geradezu architektonischen
Plan zurückgesteckt war. Jedes Mal, wenn Iris nach ihrem Drink griff oder zu heftig lachte, hatte ich das Vergnügen einer
Mini-Lightshow.
»Ich versuche herauszufinden, wo Sie die Videokamera verstecken.«
»Geschäftsgeheimnis.«
»Einverstanden«, gab ich zurück. Das Rätseln machte ohnehin mehr Spaß. »Und wem spionieren wir heute nach?«
Iris fand den Scherz nicht komisch. »Wenn Sie fertig sind, erzähle ich Ihnen, warum wir hier sind.« Sie beugte sich dicht
zu mir, was mir nur recht war. »Ich bin hier, um illegalen Drogengebrauch und -verkauf aufzudecken.«
»Was wird denn hier verhökert, Herzmedikamente?« Die Bar lag
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