Den Jakobsweg erfahren - Drei Freunde mit dem Fahrrad von Lingen-Biene nach Santiago de Compostella (German Edition)
Vorplatz kommen wir mit einem Hamburger Ehepaar ins Gespräch. Die sind mit einem Wohnmobil unterwegs. Dann reicht uns der Großstadtdschungel und wir wollen einfach nur raus aus der City.
Obwohl Timo seit einigen Tagen von einer Currywurst träumt, ignoriert er die Werbetafel eines Imbisses. Wir wollen ihn dazu noch überreden, aber keine Chance. Die Sehnsucht nach der Ruhe ist größer als der Appetit auf Currywurst.
In Hornillos del Camino bei einem kleinen Halt werden wir von jemanden auf Deutsch angesprochen, wo wir die leuchtenden Westen, die wir zu unserem Schutz und besserer Erkennbarkeit (wenn man weit voneinander entfernt ist) tragen, her haben. Siggi hat sie von einer Schulung bei einer Fliesenkleberfirma (Sopro) für uns abstauben können. Es handelt sich um einen Sopro-Mitarbeiter, der zu Fuß auf dem Pilgerweg unterwegs ist. Er bittet uns um ein Foto für die Chefetage. Wir bringen uns ins rechte Licht und dann geht’s weiter zu einem kleinen Rastplatz, wo wir eine Pause machen.
Um 13:00 Uhr, bei einer Brotzeit an einer belebten Straße, werden wir von einem Meißener Fliesenleger, der auch als Fußpilger auf dem Weg ist, ebenfalls auf die Westen angesprochen. Vielleicht sollten wir bei der Firma Sopro nach einer Werbegage fragen.
Vor der Ortschaft Hontanas überholen wir eine riesige Gruppe schwedischer Buspilger. Das erkennt man daran, dass die Spaziergänger keinerlei Gepäck mit sich führen. Allenfalls eine Wasserflasche haben sie dabei. Es fällt schwer, sich durch den Pulk den Weg zu bahnen. Weil wir so langsam fahren, komme ich kurz mit einem Schweden ins Gespräch. Woher – wohin – wie lange schon. In dem Ort legen wir an einer Bar eine Weinpause ein. Da die Sitzgelegenheiten vor der Bar belegt sind, setzen wir uns im Schatten der Kirche auf Steinblöcke und genießen.
Eine Schwedin, aus der zuvor überholten Gruppe, ruft uns zu: „That's the real hard pilgrims life!“, lacht und schießt ein Foto von uns dreien. Dann hole ich uns noch einen. Neben dem Eingang der Bar sitzt eine gebräunte Schönheit, die mir zulächelt und ich lächle zurück. Das Leben ist schön.
Eine Mutter, die mit ihrem Kleinkind mit Kinderwagen pilgert, quält sich bergauf. Warum tut man sich und noch dazu dem Kind das an? Wir erfahren es nicht.
Nach dem 2. könnte ich noch ein 3. Glas trinken, aber die Vernünftigen wollen weiter.
Wir kommen an der Ruine desKlosters San Anton de Castrojeriz vorbei, halten aber nicht. Das Erste, was wir von der nächsten Ortschaft sehen, ist die Burg, die auf einer Anhöhe steht. Da müssen wir aber zum Glück nicht hoch. Kurz vor dem Ort liegt ein Camingplatz. Dort frage ich nach einem Raum für drei. Der Inhaber will mir ein Appartment zu 100 € für eine Nacht verkaufen, aber winke ab. Wir waren gerade im Begriff weiterzufahren, als er uns eine Nacht in der Herberge für 8€ p.P anbietet. Das nehmen wir. Die Herberge ist eine ehemalige Lagerhalle. Die Räder können mit hineinnehmen. Beim Tragen über die Türschwelle hilft der Platzwart. Er packt bei Siggis Fahrrad an der Rückleuchte an. Die geht dabei zu Bruch. Siggi ist sauer. Es ist sehr sehr heiß. Die unteren der Hochbetten sind allesamt belegt und es gibt keine Leitern, um die oberen Betten zu erreichen.
Einige Pilger machen Siesta. Ein Mitpilger meint, dass wir uns einfach 3 Matrazen aus den oberen Betten nehmen und sie auf die Erde legen sollen. Wir wollen jedoch keinen Ärger und machen unsere Nachtlager auf einer freien Fläche mit Isomatte und Schlafsack. Dann ist Waschtag. Zuerst die Klamotten und danach sind unsere Körper dran. Als wir die Wäsche auf die Leine zum Trocknen aufhängen, treffen wir einen deutschen Pilger, der mit seiner Tochter den Weg gemeinsam geht. Wir kommen ins Gespräch. Es geht um dies und das. Ich denke, dass ich den Weg mit meinen Kindern auch gehen würde, wenn sie es wollen.
Abends haben wir im Restaurant das Pilgermenü gebucht. Als ich den Schankraum zur Essensbestellung betrete, begrüßt mich eine Engländerin mit: „Your welcome!“. Es herrscht großer Andrang, darum wird in Schichten gegessen. Unsere Essenszeit ist erst um 21:30 Uhr.
Die Wartezeit vertreiben wir uns mit Tinto de Verano (übersetzt = Sommerwein, das ist ein Rotwein-Zitronensprudel-Mix mit viel Eis). Der Platzwart will wissen, wo wir gestartet sind. Als ich ihm im Internet den Startpunkt zeige, zeugt er uns höchsten Respekt. Weiter interessiert ihn was „Sopro“ ist. Ich erkläre, dass die
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