Den Jakobsweg erfahren - Drei Freunde mit dem Fahrrad von Lingen-Biene nach Santiago de Compostella (German Edition)
einige Pilgerherbergen, in denen man hätte auch unterkommen können. Ohne einen Pilgerführer nimmt man aber die Erste, die man sieht, denn es könnte ja die einzige im Ort sein. Und zurückfahren geht gar nicht.
Die Landschaft sieht aus wie in Wild-West-Filmen. Weite Ebenen sind unterbrochen von einigen steil ansteigenden Anhöhen. Die Luft steht. Die ersten vier Kilometer sind lockeres Fahren. Was noch kommt, kann ich bereits erahnen, weil ein großer Berg immer näher auf uns zukommt. Wie Ameisen sieht man Pilger über Serpentinen die Anhöhe hochkraxeln.
Da müssen wir auch hoch. Am Fuße des Berges warnt ein Schild vor 12 % Steigung, die sich über 1,5 Kilometer erstreckt. Da gibt es nur eins: Den kleinsten Gang einlegen, und den Schotterweg im Zickzack hoch, weil der direkte Weg einfach zu steil ist. Die Fußpilger, die wir überholen, feuern uns an und lassen uns gerne vorbei, um selbst kurz zu verschnaufen. Zum Teil stehen sie klatschend Spalier. Die frisch gewaschenen Sachen, die heute morgen trocken waren, sind wieder schweißnass, als wir auf dem Gipfel ankommen. Ich sehe Sterne am hellen Tag. Der Vater von gestern, der mit seiner Tochter pilgert, kommt bewundernd auf uns zu. Sprechen können wir im Moment aber nicht, wir müssen uns auf unseren Atem konzentrieren, um uns wieder zu fangen.
Die Abfahrt ist sehr angenehm und entschädigt für die vorherige Quälerei. Als wir im nächsten Ort, Castillo de Matrudos, einen Halt machen, sehen wir von hinten eine dunkelhaarige kaffeebraune Dame mit gelber Sonnenbrille mit einem Mountainbike auf uns zufahren. Höflich, wie wir nun einmal sind (Pilgercodex), warten wir. Als sie uns erreicht, hält sie und sagt, dass sie uns schon gestern an der Bar, wo wir Rotwein geordert hatten, gesehen habe. Neben dem Eingang, da saß jemand ohne Sonnenbrille, fällt mir ein, dass könnte sie gewesen sein. Sie erzählt, dass sie von der Fahrt bergauf total fertig sei und heute hier bleibt. Nach Sahagún will sie erst morgen. Zu unserem Erstaunen plant sie aber einen Tag vor uns in Santiago anzukommen. Da sind wir aber gespannt. Dann geht es weiter.
Die Strecke führt an einen Kanal entlang. Kurz vor der Ortschaft Carrion überholen wir den Niederländer. Der geht in schneller Gangart und erzählt, dass der Australier bestimmt noch 10 Kilometer weiter ist. Wir staunen. An einer Schleuse, wenige Meter vor dem Ort, scheint es, als hätten etliche Busse hunderte von Menschen ausgespuckt, um diese zu bewundern. Als sie uns kommen sehen, bilden sie eine Gasse und heizen uns an. Tour de France in Spanien.
In Carrion angekommen verlassen wir die Route, um an einer Tankstelle Siggis Reifen auf Betriebsdruck zu bringen. Als wieder auf dem Weg sind, sehen wir, dass am Plaza Wochenmarkt ist. Also Vollbremsung und Erdbeeren, Birnen und Bananen kaufen. Als wir uns im Schutze eines kleinen Hauses stärken, erreicht uns der Niederländer. Wir überlassen ihm unseren Schattenplatz und bügeln weiter.
Als unser Tageskilometerzähler die Zahl 31 zeigt, ist es 11:30 Uhr und wir überholen den Australier. Da sind wir aber platt. So könnte er heute 60 Kilometer schaffen, weil er noch einige Stunden gehen kann, bis der Abend anbricht. Respekt.
Nach einer endlos langen Geradeausstrecke mit ganz viel nichts machen wir in Calzadilla eine Weinpause. Bei der Besichtigung einer Kirche sehen wir eine chinesische Pilgerin, auf deren Kopf eine große Wasserflasche steht. Siggi fragt in seinem besten Chinesisch mit Zeichensprache, ob die Flasche dort festgenagelt ist und sie scheint zu verstehen. Nein, nein und hebt die Flasche hoch. Wir sind sichtlich beeindruckt. Als wir den Ort verlassen, hat Siggi in der Nähe einer Tankstelle eine Panne (glückes Geschick). Beim Flicken sehen wir von weiten eine kleine Person mit einer Wasserflasche auf dem Kopf näher kommen. Es ist die Chinesin. Als sie uns sieht, winkt sie von Weitem und macht auf einem Bein stehend faxen. Wir freuen uns und lachen, wünschen einander einen „Buen Camino“ und wenden uns der Reparatur von Siggis Pneu zu.
Nach dem Einziehen eines neuen Schlauchs schiebt Siggi zur Tankstelle, wo der optimale Reifendruck hergestellt wird. Dann greifen wir wieder an. Die Chinesin wird beim Überholmanöver noch einmal gegrüßt und dann fahren wir durch ein 17 km langes „Nichts“. Kein Baum, kein Stauch. Kurz vor unserer Ankunft in Calzadilla hat Siggi die nächste Panne. Zur Abwechselung mal vorne. Die Strecke bis zum Ort überbrücken wir
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