Den Jakobsweg erfahren - Drei Freunde mit dem Fahrrad von Lingen-Biene nach Santiago de Compostella (German Edition)
meine Jeans, die nun mit eigenem Gürtel gehalten wird. Das lila T-Shirt und Schuhe machen den Ausgehanzug komplett. Jetzt noch schnell in die Waschküche und das Handtuch und die Radlerklamotten waschen. Ein Stück Seife ist das Waschpulver. Draußen werden die nassen Sachen an die Leine gehängt und mit reichlich Wäscheklammern vor dem Wegwehen gesichert. Der Wind ist sehr stark.
Dann geht es los. Wir kehren in ein Lokal ein. Zuerst sitzen wir draußen. Die schöne Abendstimmung wird jedoch von Landsmännern am Tisch neben uns gestört. Die sind hackebreit ihr mitgebrachter Ghetto – Blaster wird so laut betrieben, dass wir unser eigenes Wort kaum verstehen.
Hier müssen wir weg. Es findet sich drinnen zum Glück noch ein Tisch für uns. Wir bestellen das Pilgermenue für 8 €, das eine Flasche Wein beinhaltet. Eine reicht nicht und so lassen wir nach und nach zwei weitere folgen. Als Nachtisch des Dessert lassen wir einen halben Liter Gerstensaft durch unsere Kehlen laufen. Wir sind stolz auf uns. Der heutige Tag hat von uns alles abgefordert. Mit einem Mal bekomme ich einen Krampf in meinen rechten Oberschenkel. Ich habe nicht so regelmäßig Magnesium eingenommen, wie die anderen. Das ist wohl die Quittung dafür, oder ist der Muskelfaserriss, den ich mir vor Jahren beim Einhundertmeterlauf mit meinem Sohn Julian in Lingen im Emslandstadion zugezogen hatte, Schuld daran. Der Muskelfaserriss, ganz bestimmt.
Als wir die Zeche zahlen sind wir positiv überrascht. 42 € hat die Wirtin berechnet. Das finden wir echt günstig. Als wir gehen, stellen wir fest, dass draußen Ruhe eingekehrt ist. Wir saugen noch kurz die schöne Landschaft in uns auf. Unterwegs zur Herberge sehen wir die Spanier in einer anderen Gaststätte sitzen und überlegen kurz, ob wir hinein gehen oder nicht. Schließlich siegt die Vernunft und wir wackeln schnurstracks zu unserer Koje.
Timo hat während unseres Gaststättenaufenthalts eine Bettnachbarin, eine Französin, bekommen. Als die uns sieht kichert sie. Den Grund dafür können wir nicht finden. Ohropax eingesetzt und ab in den Schlafsack.
57,7 gefahrene km, gesamt 2439,8 km
5:06 gefahrene Zeit, gesamt 150:45 Std.
11,4 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit
16.05.2012 Mittwoch
Tag 26
O'Cebreiro (E) – Sarria (E)
Der morgendliche Zyklus geht heute zur Abwechselung mal ruhig vonstatten. Einige Fußpilger brechen zwar für auf, aber ohne Trara. Die Timos Bettnachbarin schlägt die Augen auf und muss direkt kichern. Er hat in der letzten Nacht wieder laut geatmet. Oder war es wieder jemand anderes?
Der erste Blick durch das Fenster gibt die Hoffnung auf einen schönen Tag. Der Himmel ist klar und im Tal liegt ein Nebelschleier.
Als ich nach dem Waschen mit Shorts und T-Shirt nach draußen gehe, um meine Wäsche von der Leine zu holen, spüre ich, dass hier oben ein eisiger Wind weht. Die Tür lässt sich von außen nicht öffnen. Darum lege ich einen kleinen Stein, den ich am Ausgang finde, zwischen Türblatt und Rahmen, damit sie mir nicht zufällt. In dem Moment, als ich an der Wäscheleine ankomme, fällt mit einem „Plopp“ die Tür ins Schloss. Na super! Ich nehme die Wäsche ab und tatsächlich, sie ist zu. Timo sehe ich oben am Fenster ab und zu. Er scheint seine Sachen zusammenzupacken. Ich rufe mehrfach seinen Namen, aber es regt sich nichts.
Irgendetwas muss passieren, sonst sterbe ich hier den Kältetod. Ich renne einmal um die Herberge und versuche an jeder Außentür in das Haus zu kommen. Fehlanzeige. Alle Türen sind verschlossen. Ich gehe wieder zur Wäscheleine und suche Steine. Die werfe ich gegen das Fenster des Schlafraums und rufe und rufe. Nichts passiert. Das sind echte Freunde. So allmählich sollten sie sich um mich Sorgen machen. Oder genießen sie vielleicht sogar meine Abwesenheit? Zu meinem Glück will gerade ein Asiat in den Waschraum, und sieht mich völlig verzweifelt durch die Glastür. Er lässt mich hinein und ich könnte ihn umarmen. Meine Dankbarkeit kennt keine Grenzen.
Ich habe bereits Schüttelfrost und gehe nach oben. Da stehen die Beiden. Als ich sie frage, ob sie mich nicht gehört haben, antwortet Timo, dass er mich schon gehört habe, sich aber nichts dabei gedacht hat. Ist ja noch einmal gut gegangen. Wir packen, ziehen wieder den Pelzmantel an und dann geht es wieder hinaus in die Kälte. Die Spanier treffen wir bereits auf dem Flur. Mit „Que tal?“ (Wie geht’s) begrüße ich sie. Während sie schnell startklar sind und
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