Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)
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Kapitel Eins
Feine Rocksäume strichen über elegante Tanzschuhe, und polierte Stiefel schritten in festgelegter Reihenfolge über den Boden des Ballsaals. Sonst sah Semjon Taruskin nichts. Er musste nach unten schauen, während er sich seinen Weg durch die Menge bahnte, um dem Blick einer gewissen jungen Dame auszuweichen, die so verliebt in ihn war, dass sie ihn erst am Abend zuvor angefleht hatte, sie zu entehren.
Er hatte die Bitte von sich gewiesen. Höflich natürlich und mit der Erklärung, dass sie zu unschuldig und zu sanftmütig für ihn sei – aber die Wahrheit, die in dieser Weigerung steckte, schien ihre Erregung nur noch gesteigert zu haben. Er hatte sich sogar aus ihren zarten Armen befreien und die liebevollen Hände abwehren müssen, die jedes seiner Glieder berührten, deren sie nur habhaft werden konnten. Irgendwann hatte er ihr schließlich ein sanftes Adieu ins Ohr gehaucht und sich schnellen Schrittes an der vor sich hin dösenden Mutter vorbeigeschlichen, die in einer Ecke des Saals saß.
Er straffte den Rücken, als er den nächsten Raum betrat – ein kleineres Zimmer, in dem die männlichen Gäste Punsch aus Kristallbechern tranken und sich mit lauten Stimmen kleine, scherzhafte Beleidigungen zuwarfen.
Semjon seufzte nur und hoffte inständig, irgendwo anders vielleicht interessantere Gesellschaft zu finden.
Weibliche Gesellschaft natürlich. Reich an Geist und reich an Schönheit. Ein oder zwei Exemplare dieser Gattung mussten hier doch wohl zu finden sein. Also folgte er, ohne groß nachzudenken, einfach einem livrierten Diener, der einen schmalen Flur hinunterging. Die Schritte des Mannes waren langsam, denn er trug einen ganzen Berg Wintermäntel, die mit üppigem Pelzbesatz versehen waren, ein paar schlichtere Mantuas und einige feingemusterte Schultertücher. Die Kleidungsstücke auf seinem Arm rutschten mit jedem Schritt hin und her, versuchten, seinem festen Griff zu entkommen, und wirkten dadurch auf seltsame Weise lebendig.
Aber schließlich war es auch noch nicht allzu lange her – vielleicht nur ein paar Sekunden –, dass jeder dieser Mäntel und jedes dieser Schultertücher eine Frau gewärmt hatten. Der Gedanke war ausgesprochen angenehm. Semjon nahm sogar einen Hauch von Parfüm und Puder wahr, den die femininen Kleidungsstücke verströmten. Voller Müßiggang folgte er dem Diener und stellte sich dabei die nackten, zarten Schultern vor, die von den edlen Stoffen liebkost worden waren, die der Dienstbote jetzt davontrug. Semjon lächelte versonnen.
Am Ende des Flurs blieb der Diener vor einer Wand aus schimmerndem Stoff stehen, durch dessen Falten ein wenig Licht drang und den Blick auf die Silhouette einer Frau gewährte.
Semjon bemerkte schnell, dass es sich eigentlich nicht um eine Wand, sondern um einen zweiteiligen, bodenlangen Vorhang handelte, der von einem höchst raffinierten Mechanismus zusammengehalten wurde. Doch nein, das war kein Mechanismus, es waren zwei Hände.
Als Semjon diese Hände etwas genauer betrachtete, sah er schlanke Finger mit ovalen Nägeln. Plötzlich machte sich der Diener bemerkbar, um endlich von der Last auf seinem Arm befreit zu werden, und eine der Hände ließ den Brokatstoff los und schob eine der Vorhanghälften ein Stück beiseite.
Das Licht der Kerzen auf dem Flur fiel auf eine Frau, die so unglaublich schön war, dass Semjon förmlich nach Luft ringen musste. Ein Dienstmädchen? Irgendwie erschien ihm das höchst unwahrscheinlich. Er trat einen Schritt zurück, um sich im Schatten zu verbergen. Die junge Frau musste ihn nicht unbedingt sehen.
Ihr Haar war zu einem bezaubernden Lockenturm hochgesteckt und glänzte dunkelrot im Kerzenlicht. Gleichzeitig war aber auch ihre Körperform sehr gut zu erkennen. Das Licht, das aus dem improvisierten Raum hinter ihr drang, offenbarte einen genauen Blick auf ihre sinnlich-schmale Taille und die leicht ausladenden Schenkel, die sich aneinanderrieben, als sie einen Schritt nach vorn machte, um dem Diener die Sachen abzunehmen.
Ah! Der Anblick ließ Semjon fast laut aufstöhnen.
Wenn er durch irgendeine glückliche Fügung des Schicksals irgendwann der Liebhaber dieser Frau sein würde, wäre es ihm eine außerordentliche Ehre, ihren Rock zu lüften und die Innenseite dieser herrlichen Schenkel zu berühren. Semjon wusste genau, wie sich das anfühlen würde. Die trotz ihres Kleides gut sichtbaren Schultern und der Busen leuchteten förmlich in dem
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