Den Tod vor Augen - Numbers 2
tun?«
Aus der Schranktür zu schauen ist wie in einen Ofen zu blicken. Es ist Wahnsinn, da rauszugehen. Ich sollte mich umdrehen, die Arme um Sarah und Mia legen und sie bis zum Ende festhalten. Ich sollte ihnen sagen, dass ich sie liebe, die Augen schließen und dann geschlossen halten. Sie werden später vier Leichen hier finden.
»Adam? Adam?«
Sie sieht mich fragend an. Aber ich weiß nicht weiter. Ich habe keinen Plan und meine Angst ist so groß wie ihre. Doch dann kommt mir wieder ihre Zahl in den Sinn und ich erinnere mich, was sie bedeutet. Wir werden zusammen alt werden. Sie wird friedlich sterben. Wir sollen nicht hier drinnen sterben. Sarahs Zahl ist eine, die ich nicht ändern will. Ich habe mich seit dem ersten Moment, als ich Sarah sah, an sie geklammert. Ich werde auch jetzt an ihr festhalten.
»Wir müssen durchs Feuer. Es ist die einzige Möglichkeit.«
»Ich kann nicht. Ich kann nicht.«
»Ich geh zuerst raus und schau, wie es da draußen ist. Dann, wenn ich Bescheid sage, kommst du auch. Wir gehen zusammen da durch.«
Sie schreit nicht mehr, aber sie weint, in einem hohen, wimmernden Ton.
»Wir können das schaffen, Sarah. Wir können das schaffen.«
Ich weiß, wie es sich anfühlen wird. Ich hab das schon einmal erlebt.
Denk nicht nach. Denk nicht nach. Tu es ganz einfach. Tu’s. Tu’s jetzt!
Ich schiebe mich von Sarah fort und lege die Hand auf die Unterseite des Türrahmens. Die Farbe schlägt Blasen vor Hitze. Ich stemme mich nach vorn und hinaus, versuche geduckt zu bleiben. Die Hitze verschlägt mir den Atem. Es sieht aus, als ob wir von Flammen umzingelt sind. Ich weiß, dass der vordere Teil des Flurs blockiert ist, also bleibt nur der Weg, den wir gekommen sind, zurück durch die Küche, der Weg, den auch Oma genommen hat. Das Feuer ist so nah, dass ich nicht sehen kann, was auf der anderen Seite geschieht. Ist das Dach über der Küche eingestürzt oder ist der Weg frei? Es bleibt keine Zeit, nachzuschauen. Die Haare auf meinem Kopf knistern. Ich verglühe dort, wo ich stehe.
»Sarah, wir müssen jetzt raus!«
Sie starrt mich aus der Dunkelheit an wie ein gejagtes Tier, doch sie rührt sich nicht.
»Ich kann nicht.«
»Oma ist auch durchgekommen. Es geht. Aber du musst es jetzt tun. Schnell!«
Sie rutscht auf den Knien nach vorn, hält Mia dicht an ihren Körper. Ich fasse sie an den Ellenbogen, ziehe sie hoch und hinaus. Ihre Augen sind rot. Sie kämpft damit, sie trotz Helligkeit und Hitze offen zu halten.
»O mein Gott, ich kann nicht. Ich kann nicht.«
Sie geht in die Hocke.
»Es sind nur vier Schritte, dann bist du durch. Vier Schritte.«
»Wir schaffen das nicht. O mein Gott.«
»Für so was haben wir jetzt keine Zeit.«
Ich habe mich über sie gebeugt, stehe zwischen ihr und den Flammen. Ich spüre, wie das Fleisch an meinem Rücken in der Hitze verbrennt.
»Gib mir das Baby. Gib mir Mia.«
Auf einmal blickt sie mich an. Ich sehe, wie sich die Flammen in ihren Augen spiegeln, und mitten in diesem Chaos ist plötzlich ein Moment der Stille zwischen uns. Wir beide wissen, dass wir voll in ihrem Albtraum sind.
Das ist es.
Das ist es, was passiert.
Sie zögert eine Sekunde, zwei Sekunden. Die Rückseite meines T-Shirts brennt. Ich spür es.
»Sarah! Gib mir das Baby!«
Sie reicht mir Mia. Mia windet sich in meinen Armen, doch ich hab sie.
»Und jetzt los!«
Sie tritt von mir weg. Für den Bruchteil einer Sekunde ist ihr Körper eine schwarze Kontur vor den Flammen und dann ist sie fort. Mia weint. Auch ich weine jetzt. Ich dachte, ich wüsste, was Schmerz bedeutet. Ich dachte, ich wüsste, was Panik heißt. Ich hab mich geirrt.
Das hier ist Schmerz.
Das hier ist Panik.
Ich umschließe Mia mit meinem Körper, winde mich um sie, schütze sie mit den Armen.
Sie ist genauso heiß wie ich, und als ich sie halte, wird ihr Körper starr und die Augen rollen nach hinten. Arme und Beine beginnen zu zucken.
Mia. Mia. Nicht jetzt. Nicht heute. Halt durch, Mia, halt durch.
Ich schließe sie noch fester ein und gehe ins Feuer.
SARAH
Er sagt, es sind nur vier Schritte. Eins, zwei, drei, vier. Die Zahlen sind in meinem Kopf, als ich von ihm weggehe, von Mia weggehe. In Gedanken schreie ich sie, als die Hitze meinen Körper erfasst.
Eins, zwei, drei, vier.
Ich öffne die Augen, doch ich bin noch im Feuer. Es wütet um mich herum. Er hat gelogen! Er hat mich angelogen! Ich habe ihm vertraut und er hat mich hereingelegt. Jetzt ist er da, mit ihr, und ich
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