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Deniz, die Lokomotive

Deniz, die Lokomotive

Titel: Deniz, die Lokomotive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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Gruß ging Leon an uns vorbei, betrat die Arena und stellte sich direkt vor mir auf.
    „Ich spiele unter einer Bedingung!“, sagte er deutlich und laut. „Wenn ich gewinne, kommen wir wieder zurück. Aber Deniz muss gehen.“

    „Und wenn du verlierst?“, fragte ich uneingeschüchtert.
    „Dann bleibt es so, wie es ist“, erwiderte er ohne zu zögern.
    Ich schaute ihn an und nickte.
    „Okay. Abgemacht. Und es gibt keine Chance für dich, dass wir a-halle in einem Team spielen?“
    „Nein. Was soll das? Hast du Muffe gekriegt?“, brauste er auf.
    „Ja“, sagte ich und konnte es selber nicht fassen. „Ja, ich hab Angst! Ich weiß nur noch nicht so genau wovor!“
    „Das zeig ich dir gern!“, lachte Leon. „Los, worauf wartest du noch! Willi, pfeif an!“
    Willi musterte unsere erhitzten Gesichter und ermahnte uns streng: „Das ist ein Fußballduell! Ist das klar?“, fragte er uns und wartete, bis wir nickten. „Gut, denn wenn hier einer von euch die Sportlichkeit auch nur ein bisschen vergisst, dann hat er zum letzten Mal in seinem Leben den Teufelstopf von innen gesehen.“
    Leon und ich schluckten. Das war deutlich und ernst, und wir wussten, dass Willi in diesem Fall bei keinem von uns eine Ausnahme macht.
    Dann ging es los. Willi pfiff an und warf den Ball in die Luft. Wir sprangen ihm beide entgegen. Wir warteten gar nicht, dass er auf dem Boden aufkam. Unsere Schultern prallten laut krachend gegeneinander, doch unsere Arme blieben am Körper, und deshalb war alles erlaubt. Wir schenkten uns nichts. Wir gaben keinen Ball, keinen Zweikampf verloren, und nach einer Viertelstunde setzten sich die ersten Zuschauer neben der Außenlinie ins Gras.
    Nach einer halben Stunde saßen alle dort, und nach einer Stunde schickte Willi Marlon und Rocce zum Kiosk, um Apfelsaftschorle zu holen. Auch uns bot er an, eine Pause zu machen, doch wir waren zu heiß. Wir konnten nicht warten. Wir hatten nur einen Gedanken im Kopf: Wir wollten den anderen schlagen.

    Doch nach zwei Stunden bereuten wir das. Unsere Zungen fühlten sich an wie trockene Schwämme, und die Wilden Kerle lagen schlafend im Gras. Niemand von ihnen hatte die Kraft, einen so langen Kampf zu verfolgen. Schließlich konnte selbst Willi nicht mehr und bat uns, ohne Schiedsrichter weiterzuspielen. Ja, und als es dunkel wurde, humpelten wir beide vom Platz.
    Aber wir machten das nur, um die Flutlichtanlage einzuschalten. Dann spielten wir weiter, erst noch im Stehen, dann auf den Knien, und schließlich krabbelten wir auf allen Vieren umher, bis wir auch das nicht mehr konnten.

    Erschöpft und halbtot lagen wir nebeneinander im Gras.
    „Mor’n ehts eita!“, röchelte Leon.
    „Was astu gesahat?“, fragte ich genauso undeutlich.
    „Morgen mach ich dich alt!“, zischte Leon.
    „Okay. Abgemacht!“, murmelte ich.
    „Undann spieln wir fürrimma zusamm!“, lachte Leon und legt sich auf meinen Arm.

Von Mann zu Mann
    Als ich nach Hause kam, war es schon weit nach halb elf. Meine Eltern arbeiteten beide, und deshalb kümmerte sich tagsüber keiner um uns. Doch in der Nacht war das anders, und halb elf war wirklich zu spät. Ganz leise schob ich den Schlüssel ins Schloss und sperrte die Wohnungstür auf. Ich wollte sofort in mein Bett und hoffte darauf, dass man mein Zuspätkommen am nächsten Tag im allmorgendlichen „Auf-in-die-Schule-und-ab-ins-Büro-Stress“ einfach vergaß. Doch auf dem Weg in das Zimmer, das ich mit Tolgar und Boran teilte, musste ich durch die Küche hindurch. Und dort stand mein Vater.
    Er war nervös, und vor diesen Nächten hatte ich Angst. In diesen Nächten fiel mir jedes Mal ein, wie wenig ich von ihm wusste. Ich hatte noch nicht einmal eine Ahnung davon, was er tat, was für eine Arbeit er hatte. Doch jetzt war er richtig nervös. Warum, das hatte man mir erklärt. Mein Vater war krank. Das heißt, nur manchmal war er das. Manchmal musste er deshalb sogar im Krankenhaus bleiben. Doch jetzt war er da und sah mich im Lichtschein des offenen Kühlschranks argwöhnisch an.
    „Wo kommst du her?“, fragte er mich und verschüttete dabei die Milch, die er sich in den Kaffee gießen wollte.
    Ich sagte kein Wort. Ich fragte mich nur, ob es gut für ihn war, Kaffee zu trinken, wenn er nicht schlafen konnte.
    „Wo kommst du her?“, fragte er mich. „Hast du wieder verloren?“
    Ich schüttelte meinen Kopf. Ich musste vorsichtig sein.
    „Dann bist du weggelaufen!“, warf er mir vor.
    „Nein. Das bin ich nicht!“,

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