Deniz, die Lokomotive
deutlich und scharf. Dreibeiniger Ochsenfrosch. Diese Vanessa war hübsch, und plötzlich hatte ich nichts mehr dagegen, Alibaba und die 40 Räuber zu sein. Plötzlich hielt mich nichts mehr zurück, Unterhaching für die Wilden Kerle zu schlagen, und überglücklich nahm ich Vanessas Hand an und zog mich an ihr aus der Pfütze unter der Rutsche heraus.
Dort stellte ich mich neben Vanessa, dehnte und streckte mich und fühlte mich wieder ganz stolz. Ich atmete ein und genoss den Blick in die Ferne.
Die Nebel waren verschwunden. Ich konnte mehr als fünf Meter weit sehen. Ich sah sogar noch die Straße, fast 50 Meter von mir entfernt, und ich sah meine Eltern. Sie standen auf der Straße und starrten mich an.
Auf jeden Fall sah es so aus. Und im selben Augenblick fiel mir alles wieder ein!
„Nein! Es geht nicht!“, schüttelte ich meinen Kopf. „Ich muss mit dem Fußball aufhören. Das hat mein Pa-hapa gesagt: Wenn ich noch mal weglaufe, ist es für immer vorbei.“
Ich schaute meine Freunde verzweifelt an. Ja, verflixt, das waren sie jetzt. Richtige Freunde, Freunde, wie ich sie noch nie gehabt hatte und die zu mir gekommen waren, obwohl sie wegen mir gegen den Tabellenletzten verloren hatten? Ja, genau so war es gewesen. Sie waren in Rückstand geraten, weil ich nicht abgespielt hatte, und sie hatten nicht mehr aufholen können, weil ich weggerannt war. Simmsalabimmbombastisches Oberglück! Warum musste das Leben so ungerecht sein. Warum war in dem Moment, in dem man alles zu haben schien, schon wieder alles vorbei?
Meine Eltern kamen jetzt auf mich zu, und für ein paar kräftige Herzschläge lang wünschte ich die Wilden Kerle hinauf auf den Mond und mich unter die Rutsche zurück.
Doch dann stellte sich Raban neben mich.
„Verflixte Hühnerkacke!“, schimpfte er und legte seinen Arm um meine Schultern. „Worauf wartet ihr noch? Deniz braucht unsere Hilfe!“
„Ja, Raban hat Recht!“, rief Vanessa und stellte sich auf die andere Seite von mir. Ihr folgten Marlon, Rocce, Maxi, Juli, Jojo, Markus und Felix. Und als Letzter drängte sich Joschka zwischen Vanessa und mich. Alle legten sich die Arme über die Schultern, und als uns meine Eltern erreichten, standen wir vor ihnen wie eine Wand.
„Herr und Frau Sarzilmaz? Guten Abend!“, ergriff Marlon das Wort.
„Ja, wir müssen Ihnen unbedingt etwas sagen!“, fügte Vanessa hinzu, und Raban grinste verschmitzt.
„Wissen Sie, Deniz ist gar nicht weggerannt. Sehen Sie?“
Mein Vater und meine Mutter schauten von Marlon über Vanessa und Raban zu mir. Zu mir mit dem Irokesenhaarkamm und der Coca-Cola-Glas-Brille auf der Nase. Ich sah wirklich aus wie ein Clown. Wie ein Clown in einem pitschnassen Fußballtrikot.
„Das hab ich anders gesehen!“, urteilte mein Vater knallhart.
„Ja, aber trotzdem!“, ergriff Felix das Wort. Felix, der Wirbelwind, für den Giacomo Ribaldo, der brasilianische Fußballstar, persönlich die magische 7 als Rückennummer ausgesucht hatte.
„Trotzdem wollen wir, dass Ihr Sohn bei uns spielt. Auch wenn er noch nicht die beste Nummer 9 auf der Welt ist. Und auch wenn das noch ein paar Jahre dauert.“
Meine Mutter schluckte gerührt, und mein Vater trat verlegen auf der Stelle herum. Er räusperte und räusperte sich, doch er bekam den Kloß aus dem Hals einfach nicht raus.
„Den-ha-heniz?“, fragte Joschka skeptisch. „Geht es deinem Vater noch gut?“
„Oder ist das eure türkische Dickschädelart, mit der ihr vernünftigen Vorschlägen zustimmt?“, grinste Juli, sein älterer Bruder.
Jetzt musste ich lachen. Durch meine Tränen hindurch musste ich das, und deshalb hielt ich es auch nicht länger aus. Ich lief zu meinen Eltern und nahm sie fest in den Arm.
„Pa-hapa! Ich brauch unbedingt eine Coca-Co-hala-Glas-Brille“, lachte ich. „Wenn ich ein Wilder Kerl bleiben darf. Und das darf ich doch! Oder darf ich das nicht?“
„Du darfst vor allem nach Hause!“, zog sich mein Vater aus der Umarmung zurück. „Und zwar jetzt und sofort!“
Er drehte sich um und ging auf die Hochhäuser des Carl-Orff-Bogens zu. Meine Mutter warf mir einen letzten Blick zu und folgte ihm dann. Ich zögerte noch. Ich gab Raban seine Brille zurück. Mit gesenktem Kopf reichte ich ihm seine Gläser. Dann quälte ich mich und lief hinter meinen Eltern her. Ich drehte mich noch nicht einmal um, als Raban mich rief.
„Deniz! Hey, Deniz! Wegen dir sind Leon und Fabi gegangen. Wenn du uns im Stich lässt, haben wir gegen
Weitere Kostenlose Bücher