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Deniz, die Lokomotive

Deniz, die Lokomotive

Titel: Deniz, die Lokomotive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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Unterhaching nicht den Hauch einer Chance!“

Deniz dreht auf
    Am nächsten Morgen holte mich meine Mutter aus dem Schulunterricht heraus. Ohne ein Wort zu sagen nahm sie mich bei der Hand und fuhr mit mir in die Stadt. Der Augenarzt untersuchte mich, und danach bekam ich beim Optiker eine Brille. Ich achtete sehr darauf, dass sie so aussah wie die Coca-Cola-Glas-Brille von Raban. Nur die Farbe des Rahmens änderte ich. Rabans Brille war rot, und meine wurde knallig orange.

    „So. Und jetzt gibt es keine Ausrede mehr, wenn du in der Schule etwas verpasst!“, sagte meine Mutter zufrieden.
    „In der Schule?“, fragte ich sie verdattert. „Dreibeiniger Ochsenfrosch! Die Schule scha-haffe ich mit verbundenen Augen. Die Brille hab ich für die Wilden Kerle gekriegt.“
    „Hast du das?“
    Meine Mutter sah stirnrunzelnd auf die Uhr.
    „Komm schon! Wenn wir uns beeilen, bist du zur kleinen Pause zurück! Gerade rechtzeitig für Mathematik. Hab ich Recht?“, grinste sie und ging aus dem Optikerladen hinaus.
    „Einen Moment!“, rannte ich hinter ihr her. „In Mathe hab ich schon ohne Brille ’ne Eins. Was ist mit Training? Ma-hama! Darf ich in den Teufelstopf oder darf ich nicht?“
    „Du darfst!“, antwortete meine Mutter. „Du darfst! Aber wehe dir, wenn ihr Unterhaching nicht packt!“
    „Beim fliegenden Orientteppich!“, umarmte ich sie. „Hast du Pa-hapa dazu überredet?“
    „Ja, ja, das habe ich!“, wehrte sie ab. „Aber ich bitte dich, enttäusch ihn nicht mehr. Dein Vater hat sich gestern für dich zu Tode geschämt!“
    „Nein! Das werde ich nicht. Darauf kannst du dich verlassen“, küsste ich sie, rannte mit ihr zur Schule zurück, stellte den Mathematikunterricht auf den Kopf und brach dann endlich zum Teufelstopf auf.
    Der Weg dorthin kam mir kürzer vor denn je. Mit meiner neuen Brille sah ich alles ganz anders. Die Nebel waren verschwunden. Beim fliegenden Orientteppich! Die Welt war so weit und so tief! Überall konnte ich neue Sachen entdecken, und diese neuen Sachen gaben mir Kraft.
    So viel Kraft, dass ich mich am Sendlinger Tor extra für die falsche Fahrtrichtung entschied. Wie an dem Tag, als ich zum ersten Mal zum Training der Wilden Kerle ausbüchste, fuhr ich mit der U1 Richtung Rotkreuzplatz und stieg am Königsplatz aus. Dort warteten noch zwei offene Rechnungen darauf, dass ich sie endlich beglich.
    Zuerst ging ich zum Taxistand. Dort hatte ein Taxifahrer Zeitung gelesen, als ich ihn nach dem Weg fragte. Erinnert ihr euch? Es war meine erste Fahrt durch die riesige Stadt. Ich war ganz allein, ich hatte meine Brille noch nicht, und ich hatte mich komplett verirrt. Doch das war diesem Mistkerl einfach egal. Er hatte seine Fenster geschlossen und mich weggejagt.
    Jetzt sah ich ihn wieder. Er wartete am Anfang einer ewig langen Schlange von Taxis direkt vor der Rufsäule. Es schien Flaute zu herrschen, und aus Langeweile stopfte er sich deshalb den dritten Döner rein.
    Ich grinste, lief zur Telefonzelle an der Ecke und wählte die Nummer, die auf der Rufsäule stand. Solche Dinge konnte ich jetzt mit Brille ja lesen. Aus 50 Metern Entfernung konnte ich das sogar! Dann blinkte das Licht auf dem Dach der Rufsäule. Der Taxifahrer fuhr aus seiner Lethargie hoch, wuchtete seinen Dönerbauch aus dem alten Mercedes, eierte um den Wagen herum und nahm das Gespräch an.
    „Ja, bitte!“, meldete er sich.
    „Guten Tag. Ich bräuchte ein Ta-haxi. Sofort. Sie machen doch Autobahnfahrten, oder nicht?“
    Der Taxifahrer schnalzte mit der Zunge.
    „Ich fahr sie überall hin!“, prahlte er.
    „Ist das wahr? A-hauch nach Timbuktu?“, fragte ich überrascht.

    „Ja. Auch dahin. Ist doch klar!“, sabberte er, als wollte sich die größte Dumpfbacke des Universums beim Schuldirektor einschleimen.
    „Das ist gut. Denn genau da-ha muss ich hin. Nach Timbuktu, über die Autobahn und durch das Mittelmeer durch!“ Ich konnte mir ein Grinsen nicht mehr verkneifen.
    „Ja, aber wo wohnen Sie denn. Wo muss ich hin?“, fragte er ungeduldig.
    „Wie bitte? Wohin? A-heinen Moment!“, stammelte ich und schaute auf das Straßenschild über mir. „Brienner Straße“ stand da. „Kommen Sie bitte in die Brienner Stra-haße Numero 5. A-haber beeilen Sie sich. Ich ha-hab in Timbuktu in einer ha-halben Stunde einen Termin!“
    Der Taxifahrer sprang in seinen Wagen und preschte davon. Er raste bei rot über die Ampel, zog einen Polizeiwagen hinter sich her und raste direkt auf mich zu. Doch die

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