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Deniz, die Lokomotive

Deniz, die Lokomotive

Titel: Deniz, die Lokomotive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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Polizei holte ihn ein und zwang ihn zu halten.
    „Verflucht! Was wollt ihr denn von mir!“, schrie er sie an. „Ich muss sofort nach Timbuktu. Das ist eine Autobahnfahrt. Wissen Sie, was ich damit verdiene?“
    Die Beamten schauten sich an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank.
    „Nach Timbuktu?“, fragten sie nach. „Über die Autobahn?“
    „Ja, und über das Mittelmeer!“, fügte der Taxifahrer wichtig hinzu.
    Doch dann sah er mich. Den Türken mit dem roten Irokesenhaarkamm. Ich hielt den Telefonhörer immer noch in der Hand und da fiel es ihm ein, dass Timbuktu in Afrika lag.
    „Warte, du kleine, fiese Ratte! Dich schnappe ich mir!“, drohte er mir, doch die Polizeibeamten hielten ihn fest.
    Ich aber rannte davon. Ich rannte und lachte und hielt mir vor Lachen den Bauch, bis ich das Geschäft des Tabakhändlers fand. Erst dann konnte ich mich wieder beherrschen.
    Der Mistkerl war die zweite Rechnung, die noch offen stand. Er hatte mich als Dieb beschimpft und an den Ohren aus dem Laden gezogen. Wisst ihr das noch? Ja, und so etwas tut man nicht ungestraft mit Deniz, dem Türken.
    Vorsichtig näherte ich mich dem Geschäft und ich hatte Glück. Der Kerl saß auf einem Stuhl vor dem Laden und schnarchte in der Altweibermittagssonne brav vor sich hin.
    Leise zog ich das Pappschild, das ich schon vor Tagen für ihn gemalt hatte, aus meinem Rucksack heraus und schlich zu ihm hin. Ich bückte mich und tat so, als ob ich meine Schuhe zubinden müsste, doch in Wirklichkeit öffnete ich seine Schnürsenkel, und knotete sie an den Stuhlbeinen fest. Dann nahm ich die Ärmel seiner Jacke, die über der Stuhllehne hing, und band sie um seinen Bauch und seine Arme herum. Jetzt konnte er sich nicht mehr bewegen. Zufrieden hängte ich ihm das Pappschild um seinen Hals, ging auf die andere Straßenseite hinüber und beobachtete aus dem Schatten einer Toreinfahrt heraus, was jetzt geschah.

    Es dauerte keine zwei Minuten, da kam der erste Passant und blieb vor ihm stehen. Verwundert las er das Schild, runzelte die Stirn, lachte und winkte den nächsten Fußgänger herbei, den er sah, um ihm das Pappschild zu zeigen.
    „Rauchen ist absolut und unendlich giftig!“, stand da zu lesen und: „Und Tabakhändler sind böse! Deshalb darf mich jeder Nichtraucher am Ohrläppchen ziehen.“
    Die beiden Passanten schauten sich an. Dann grinste der Erste, beugte sich über den gefesselten Mann und kniff ihm ins Ohr. Ich rieb mir die Hände, denn der Zweite kniff und zog schon viel fester, und als der Tabakhändler endlich begriff, dass das kein Mittagsschlaf-Alptraum war, stand schon eine ganze Schlange von Menschen vor seinem Stuhl, die sich nur darauf freuten, endlich an die Reihe zu kommen.
    „Aua! Was soll das? Autsch! Seid ihr verrückt! Ich mache euch Beine!“, schrie er und stellte dann fest, dass er gefesselt war. „Verflixt nochmal! Auaaaah! Bindet mich los!“
    Doch die Passanten dachten gar nicht daran. Sie zogen ihn weiter am Ohr, und dann trat ich aus dem Schatten der Toreinfahrt und grinste ihn an.
    Der Tabakhändler war so verdattert, dass er noch nicht einmal mehr „Autsch“ sagen konnte. Wortlos sah er mich an, und ich winkte ihm zu. Grinsend ging ich davon, und erst als ich gut hundert Meter weit weg von ihm war, erholte er sich: „Aua! Autsch und Auweh!“, schrie er, und ich ballte die Faust und raunte ein „Raah!“ Denn eines kann ich euch sagen: Dieser Mistkerl fasst bestimmt nie wieder einem Jungen ans Ohr.
    Zufrieden ging ich zur U-Bahn und fuhr mit der U1 zum Wettersteinplatz. Dort stieg ich in die Tram, und als ich sie in Grünwald am Marktplatz wieder verließ, lief mir doch tatsächlich die alte Frau über den Weg. Die alte Frau, die mich mit ihrem Stock bedroht hatte, um mich wie einen Vampir zu verjagen. Doch dieses Mal sah sie mich nicht. Sie schleppte ihren Einkaufskorb, der viel zu schwer für sie war.
    „Entschuldigen Sie. Da-harf ich das tragen?“ Damit nahm ich ihr den Korb aus der Hand.
    Die alte Frau lächelte dankbar, doch dann schaute sie zu mir auf, und als sie meinen Irokesenkamm sah, blieb sie entsetzt stehen.
    „Keine Angst!“, lächelte ich. „Machen Sie sich überhaupt keine Sorgen. Ich hab schon gefrühstückt. Ich mein, ich fresse Sie nicht.“
    Dann trug ich ihr den Korb bis nach Hause und ging mit dem Apfel, den ich dafür bekam, an den Blumenbeeten vorbei. Da standen die „Gartenmonster“, die einstigen Unbesiegbaren Sieger, die, weil sie Juli erpresst

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