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Denken Sie nicht an einen blauen Elefanten!

Titel: Denken Sie nicht an einen blauen Elefanten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Havener
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Nervenzellen miteinander verrechnet werden. Ein Gedanke ist ein Feuerwerk
     neuronaler Aktivität, das sowohl durch einen externen Reiz, einen Sinneseindruck, als auch von einem internen Reiz, einer
     Körpersensation, ausgelöst werden kann. Man geht davon aus, dass an einem Gedanken stets verschiedene Hirnareale und -ebenen gleichzeitig beteiligt sind. Der Hirnforscher Wolf Singer, Direktor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt
     am Main, stellt in diesem Zusammenhang klar, dass auch hochmoderne bildgebende Verfahren wie zum Beispiel Messungen im Kernspintomographen
     Forscher nicht dazu befähigen, die Gedanken ihrer Probanden zu «lesen». Dazu seien Denkvorgänge zu individuell und zu komplex.
     Man könne aber wohl entschlüsseln, mit welchen Inhalten sich ein Mensch gerade beschäftigt: Denkt er beispielsweise an Zahlen
     oder an Gesichter? Doch was er wirklich denkt, hänge von individuellen neuronalen Repräsentationen der jeweiligen Gedanken
     ab, die eben bei jedem ein wenig anders aussehen, womit die Interpretation der bunten Bilder schnell spekulativ werde.
    i Großrechner Gehirn: Zentrum für Gut und Böse 
    Wir können uns also entspannen und müssen uns vor einer Gedankenpolizei – zumindest vorerst noch – nicht fürchten. Doch für
     die meisten Menschen ist es bereits erschreckend und im Grunde unbegreiflich, dass unsere geistigen und mentalen Leistungen
     und damit auch unser Ich-Erleben und Selbstverständnis lediglich die Folge neuronaler Prozesse sein |132| sollen. Darüber hinaus wollen uns Wissenschaftler wie der Hirnforscher John-Dylan Haynes vom Max-Planck-Institut in Leipzig
     erklären, dass unser Gehirn mit seinen neuronalen Schaltkreisen volle zehn Sekunden früher «weiß», zu welcher Handlung wir
     uns kurz darauf bewusst entschließen werden. Vor diesem Hintergrund fragen sich manche Forscher und auch Laien, ob der freie
     Wille des Menschen lediglich eine vom Gehirn kreierte Illusion ist – dazu mehr am Ende dieses Kapitels.
    Hier relativieren allerdings die Forscher selbst und verweisen darauf, dass das Gehirn als Organ und das Unterbewusstsein
     als weitere mentale Ebene genauso zum Menschen gehören wie das Ich und sein Bewusstsein. Man müsse jedoch akzeptieren, dass
     Letztere lediglich die Spitze des Eisbergs darstellen, wohingegen der größte Teil unserer Persönlichkeit im Unbewussten verborgen
     liegt. Im Diskurs darüber, ob menschliches Denken und Fühlen allein auf die Aktivität neuronaler Schaltkreise zurückgeführt
     werden können und dürfen, meldet sich auch die älteste Wissenschaft zu Wort, die sich seit Menschengedenken mit der Frage
     beschäftigt, aus welchem Stoff geistige Prozesse sind: die Philosophie. Der Tübinger Philosoph Manfred Frank führt dabei neben
     dem Gedanken die Emotion ins Feld: «Wenn ich jemandem meine Zuneigung ausdrücken will, wäre es wenig sinnvoll, ihm oder ihr
     die elektromagnetischen Abläufe zu beschreiben, die in meinem Hirn vor sich gehen und die ich vielleicht auf einem Autozerebroskop
     ablesen kann.» Egal was Kernspintomograph oder Elektroenzephalogramm verraten, sie können nie mit Hilfe von Zahlen, Werten
     oder blinkenden Hirnarealen ausdrücken, was jemand fühlt, der verliebt ist. Genau wie man kein Lebewesen erzeugen kann, indem
     man das dazu notwendige Zellmaterial zusammenschüttet, so ergibt die Summe der neuronalen Prozesse doch auch nie das Gefühl,
     das man an Leib und Seele wahrnimmt.
    |133| i Auch Gehirne freuen und fürchten sich 
    Die Wissenschaft ist sich einig: Auch Emotionen – positive wie negative – entstehen im Gehirn, in Wechselwirkung mit Körperreaktionen,
     Gedanken sowie Umweltreizen. Ursprüngliche Emotionen wie Lust oder Angst gelten als eine Art Frühwarnsystem, das eine möglichst
     schnelle Verhaltensantwort auf einen Reiz ermöglicht. Die an Emotionen beteiligten neuronalen Schaltkreise arbeiten rasend
     schnell und erlauben so eine Informationsverarbeitung zum Beispiel von Gefahrenquellen, im unteren Millisekundenbereich. Diese
     Prozesse laufen – aufgrund ihrer Schnelligkeit – allerdings unbewusst ab. Erst wenn neokortikale Strukturen wie die Großhirnrinde
     an einer emotionalen Reaktion beteiligt sind, kommt Bewusstsein zustande, und wir «fühlen» etwas. Unser bewusstes Gefühlsleben
     braucht also vor allen Dingen Zeit.
    Mittlerweile ist erforscht, welche Hirnbereiche an positiven und negativen Emotionen beteiligt sind: Der Mandelkern (Amygdala),
     im

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