Denken Sie nicht an einen blauen Elefanten!
genetisch manifestiert … Die gute Nachricht ist, dass weitere 10 Prozent unseres Glücksvolumens von unseren Lebensumständen beeinflusst werden: Bildung, Einkommen, Familienstand |196| usw. Aber das Beste kommt noch: Die restlichen 40 Prozent werden von unserem Verhalten und unseren Gedanken geprägt. Denken Sie also täglich an die Legosteinchen, aus denen
Sie Ihr neues Gebäude konstruieren wollen. Wie wir über uns selbst und über andere reflektieren, beeinflusst zu 40 Prozent unser Glück. Es geht also offensichtlich nicht darum, immer positiv zu denken, sondern
richtig
zu denken. Es bringt nichts, in Motivationsseminaren eine buntgemischte Menschenmenge komplett mit perfekt inszenierten Suggestionen
aufzupumpen und sie hochmotiviert aus dem Seminar zu entlassen, wenn die Basis und die Zielrichtung fehlen. Ein Freund erzählte
mir, dass viele Teilnehmer einige Wochen nach einem perfekt inszenierten Motivationsseminar einen Psychologen aufsuchen. Ich
kann mir gut vorstellen, warum diese Einschätzung zutrifft. Sie kommen mit Power zu ihrer Arbeit zurück und merken sehr schnell,
dass sie durch reine Motivation überhaupt nichts in ihrem Umfeld ändern können. Denn: Motivation ohne entsprechende Kompetenz
ist gefährlich. Stellen Sie sich vor: Ein Mensch, der noch nie auf Skiern gestanden hat, wird in den besten Anzug gesteckt,
den es gibt. Er bekommt die besten Skier, Stöcke und einen wunderschönen Helm. Jetzt motiviert man diesen ahnungslosen Anfänger
nach allen Regeln der Kunst. Er startet mit vor Stolz geschwellter Brust und fährt in Schussfahrt eine schwarze Piste hinunter.
Wie lange, denken Sie, wird es dauern, bis er stürzt? Ich darf niemanden veranlassen, etwas zu tun, was ihm gefährlich werden
kann. Genau das passiert aber bei manchen Trainings. Um beim Beispiel zu bleiben: Die Skifahrer können aus einem Coaching
etwas mitnehmen, die anderen wissen mitunter noch weniger als vorher, was sie tun.
Am Anfang steht das Abholen. Das beherrschen viele der Gurus perfekt. Die Zuhörer werden durch Licht und Musik bereits vor
Beginn der Veranstaltung auf ihren Plätzen emotional gepusht. Eine perfekt eingesetzte und präsentierte Sprache |197| versetzt sie in Trance. Ohne es zu merken, sind sie innerhalb kürzester Zeit offen für die Suggestionen des Redners.
Dieses Vorgehen beherrscht in Perfektion ein sehr bekannter Trainer, den ich einmal gesehen habe. Er trat damals in einer
großen Halle auf. Nachdem er lange auf die Masse eingeredet und rhetorisch perfekt nahezu jeden Teilnehmer in einen euphorischen
Rauschzustand versetzt hatte, kündigte er eine Pause an.
«Wir sind heute sehr viele hier, daher ist es mir leider nicht möglich, gezielt auf jeden Einzelnen von Ihnen einzugehen.
Glücklicherweise sind in meinem Wochenendseminar noch ein paar Plätze frei. Dort kann ich mich jedem persönlich widmen. Die
Teilnehmerzahl ist begrenzt. Sie können sich an diesem Tisch anmelden. Stellen Sie sich bitte hier an, so entsteht kein Gedränge.»
Seine Strategie und Redekunst waren genial: Der Redner konnte Bilder in den Köpfen der Zuhörer entstehen lassen. Den Run auf
die letzten freien Plätze hatten die Zuschauer bereits vor Augen, als sie noch auf ihren Stühlen saßen. Und: Vor der Pause
wies er immer wieder darauf hin, dass man als eigenverantwortlicher Mensch am besten in sich selbst investiere. Er verließ
von allen umjubelt die Bühne. Die Pause wurde dann von stakkatoartigen Rhythmen eingeleitet. Sofort stürmten etliche an den
Tisch, an dem man sich anmelden konnte. Die Plätze schienen also wirklich schnell knapp zu werden. Später erfuhr ich, dass
die ersten Personen der Schlange Mitarbeiter des Motivationstrainers waren. Auch eine Art, seine Seminare vollzukriegen …
Motivation ohne Kompetenz ist gefährlich. Der Imperativ «positiv denken» ist ohne Ziel inhaltslos. Durch Kalendersprüche,
Lebenshilfekabarett und versteckte Suggestionen wird niemand wirklich unterstützt. Der Psychotherapeut Günter Scheich hat
ein Buch mit dem Titel «Positives Denken macht krank» verfasst. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt Scheich, |198| dass pauschale Heilsversprechen zu selten für die, die daran glauben, zu einem besseren Leben führen. Sehr oft tritt das Gegenteil
des gewünschten Effekts ein. Der Autor hatte Hunderte Briefe von verzweifelten Angehörigen bekommen: Eltern fanden keinen
Zugang mehr zu ihren Kindern, Angestellte –
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