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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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vermeintlichen Vaterlandsverräter vorgegangen vi^urde. Wie ein kalter Wasserstrahl wirkte das nunmehr auftretende Polizeiregiment auf die Gesellschaften und man zog sich scheu vor den Menschen zurück, waren ja doch die grimmigsten Freimaurer und Aufklärer vielfach Angeber und verbissene Rückschrittler ge-worden. Die heitere Geselligkeit der josefinischen Zeit, die Karoline Pichler auch im ersten Teile ihrer „Zeit-bilder" anschaulich vor Augen führt, war der Furcht, dem Parteigeist und dem Mißtrauen gewichen. Der literarische Zirkel der jungen Männer im Hause Greiner hörte auf (I, S. 184) und die jungen Leute fanden sich nur mehr zu harmlosen Zusammenkünften und Garten-festen im Hernalser Landhaus ein. Wenn so der Salon Greiner, den früher jeder Fremde, der nach Wien kam, gern besucht hatte, allmählich seine Bedeutung verloren hatte, so war überhaupt sein Ende da, als 1798 der Hofrat Greiner das Zeitliche segnete.
    Die notwendigen Einschränkungen, die nunmehr eintreten mußten, zwangen die Familie Greiner-Pichler — Karoline hatte ja unterdessen den Hafen der Ehe erreicht —, sich in einen Vorort (Alservorstadt) zu ziehen. So nahe auch heute diese Gegend der inneren Stadt liegt, so leicht und bequem sie jetzt erreichbar ist, so schwierig war es damals, über das unbeleuchtete und ungepflasterte Glacis von der Stadt aus in die Vorstadt zu kommen (vgl. I, S. 225). Selten verirrte
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    sich daher ein Freund oder Bekannter in das Haus Nr, 109 der Alservorstadt. Eine stille, trauliche Häus-lichkeit war an die Stelle der Geselligkeit getreten und man unterhielt sich, so gut es eben ging, mit Lektüre oder Klavierspiel im engsten Familienkreis (I, S. 225). Das änderte sich aber, nachdem Karoline Pichler 1800 mit ihren „Gleichnissen" an die Öffentlichkeit getreten war, mit denen sie eine bekannte Dichterin wurde. Man drängte sich, ihre Bekanntschaft zu machen, man wollte in ihrer Gesellschaft sein und 1802 beginnt die Geschichte des Pichlerschen Salons. Zwar war nach wie vor Charlotte von Grein er der sogenannte Mittel-punkt, denn noch immer verstand sie es, durch ihre Geistesgaben und ihr Unterhaltungstalent große und kleine Geister zu fesseln (I, S. 250f.), aber ihr gewöhn-licher Freundeskreis war ein sehr geistesarmer (H, S. 44if.). Das geistige Haupt war aber jetzt Karoline Pichler, wenn sie auch vor ihrer Mutter in Bescheiden-heit zurücktrat. Ihr huldigte man und ihr galten all die Besuche der Fremden, die jahraus und jahrein ihr die schuldige Achtung zollten. War sie auch nur „La Muse du Faubourg", wie sie Frau von Stael scherzend nannte^), so war sie doch eine geistige Macht in Wien geworden, mit der man zu rechnen hatte, und nicht mit Unrecht nannte man sie Wiens Recamier^). War ihr Kreis auch nicht so glänzend wie die gleichzeitigen Zirkel der geistreichen Jüdinnen Fanny Arnstein und Cäcilia Eskeles, wo sich der Hochadel und die Diplo-maten ein Stelldichein gaben, wo berühmte Geistes beiden und hervorragende Männer der Geschäftswelt sich trafen, so waren ihre Gesellschaftsabende— jeden
    1) P. D. Atterbom, a. a. O., S. 199.
    2) B (Bolza.'') in: Illustrierte Zeitung. I. (Leipzig 1843), S. 171.
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    Mittwoch (I, S. 314, 318), später jeden Dienstag und Donnerstag (II, S. 114, 470: 178) empfing sie, während die Sonntage dem engsten Freundeskreis vorbehalten waren (II, S. 39, 114) — der Vereinigungspunkt der feinen bürgerlichen Kreise, des niederen Adels und der literarischen und künstlerischen Größen, deren Unter-haltung sich um Tagesereignisse und Gegenstände der Literatur und Kunst drehte^). Wenn die Gesellschaften der Eskeles und Arnstein im gewissen Sinne alle Vorzüge und Nachteile des Emporkömmlingtums zeig-ten, wie es Karoline Pichler im zweiten Teile ihrer ,,Zeitbilder" so trefflich schilderte, so verkörperte sie mit ihrem Kreis, der die Gesellschaften der Piquots, Hoppe u. a. durch die literarischen Interessen weit überragte, die Traditionen des josefinischen Beamten-tums und des seßhaften niederen Adels, der auch bei Frau Flies und bei der Baronin v. Matt sich geltend machte.
    Bei ihr ging es stets gesittet und ruhig zu und gerne sahen es aristokratische Eltern, daß ihre Söhne bei der Pichler, welche die Jugend gerne um sich hatte (II, S. 87, 463 f.) und wo man guten Ton und feine Sitte lernen konnte (II, S. 87), verkehrten. Die aufstrebenden Talente, wie Hormayr, Hammer- Purgstall, Col-lin, Streckfuß, Schneller, Rothkirch-Panthen u. a. vereinigten sich hier,

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