Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Denn die wenigen jungen Literaten, wie L. A. Frankl und Otto Prechtler, die in Pichlers Kreis
^) Nile. Fürst, Frankls Sonntags-Blätter II, (Wien 1843), S. 1077 (im Aufsatz: Literarische Soires [in Wien] und die Journalistik).
2) Wien und die Wiener, S. 97.
^) Wien und die Wiener S. 76.
*) Stand auf gleicher Höhe wie Pichlers Salon, vgl. Denkwürdig-keiten II, S. 124.
ausharrten, waren mit ihren inneren Gesinnungen doch im anderen Lager. Und so steht die letzte Stufe des Greiner-Pichlerschen Salons, etwa die Zeit von 1830 bis 1843 umfassend, im Zeichen des Verfalls. Es waren nur mehr kleine, intime Gesellschaftsabende, welche Karoline Pichler veranstaltete^), die sie aber durch ihre ungezwungene Heiterkeit und angeborene Fröh-lichkeit 2) doch zu heiteren gestaltete. Kam ein bedeuten-der Literat nach Wien, der sie besuchte^), obwohl mit ihrem sinkenden Ruhme auch die Besuche von aus-wärts immer geringer wurden, dann gab sie eine eigene Soiree zu Ehren ihres berühmten Gastes, etwa in der Art, wie uns L. A. Frankl eine solche anläßlich der Anwesenheit des Dichters und Erzbischofs Ladislaus Pyrker schilderte*), die in ihrer Verquickung von Schrifttum und Strickstrumpf doch etwas altväterlich-hausbacken anmutet. Von den Mitgliedern dieses Kreises forderte die Zeit ihre Opfer, viele, darunter ihr Lebensgefährte, starben und einsam wurde es in den letzten Jahren um Karoline Pichler, die sich, der Welt entfremdet, immer mehr in den trauten Familien-kreis zurückzog, wo die Jugend um ihre Enkel herum ihr des Lebens Winter verschönte (II, S. 607). Ein hal-bes Jahr vor ihrem Tode gab sie, wenn auch mit schwe-rem Herzen, ihre Wohnung im ersten Stock ihres Hauses auf und übersiedelte in den zweiten (II, S. 609);
^) Frankl, Erinnerungen, Prag 1910, S. 105, iii.
2) Über Karoline Pichlers heiteres Naturell vgl. man Denk-würdigkeiten I, S. 208, 483 Anm. 256a; II, S. loif.
3) 1840 war z. B. Hof rat Göttling mit einem Empfehlungs-schreiben der Frau v. Wolzogen (Literarischer Nachlaß, ^ II, S. 398 f.) zur Pichler gekommen, doch konnte sie ihm krankheits-halber nicht viel Aufmerksamkeit schenken.
*) Erinnerungen, S. 104ff.
damit war das Ende ihres historischen Salons, dessen Geschichte sich in ihren „Denkwürdigkeiten" spiegelte, gekommen.
Jenes blaue Zimmer, in dem sie in ihren letzten Jahren (1836), und so wird es wohl auch früher gewesen sein, punkt sieben Uhr abends empfing, in das man über eine schön geschwungene Treppe und durch ein ge-räumiges großes Zimmer gelangte, war nicht mehr. Hier saß sie früher, bescheiden gekleidet, auf einem altvaterischen Kanapee und bewillkommte mit ge-winnender Freundlichkeit ihre Gäste. Rings an den Wänden hingen Erinnerungszeichen an frühere Zeiten, so Fügers Kupferstiche zur Messiade in schwarzen Rahmen, Körners höchst ähnliches Miniaturbild, das erst jüngst wieder bekannt wurde (I, S. 621), das Ge-mälde „Kaiser Maximilian I. seinen Sarg betrachtend" und andere Bilder, welche Freunde des Hauses vor-stellten. Ein Betschemel, der vor einer schönen Madonna mit dem Kinde stand, wies auf erbauliche Stunden hin und ein Körbchen mit einem Knäuel Zwirn am Tische, wo auch der Teekessel der Gäste harrte, zeugte für den Strickeifer der Hausfrau^). Der Salon war, wie Anton Langer, ein Spielgenosse von Pichlers Enkeln^), berichtet^), „eines jener dämmernden, heimlichen Ge-mächer, die auf eine merkwürdige Weise moderne Eleganz mit altertümlicher Bequemlichkeit vereinen. In der Tat befanden sich hier einige Möbel, die, im strengsten Sinne des Wortes, nicht bloß der Fa^on
^) Diese Schilderung nach L. A. Frankl (Erinnerungen, S. 106) und Franziska v. Pelzeln (Österr. Kaiser-Jubiläums-Dichterbuch. Wien 1899, S. 54).
^) Frankl, Erinnerungen, S. 108.
^) Ein Abend bei Karoline Pichler. Bäuerles Allgemeine Theater-zeitung. Wien 1843, S- 749-
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nach, Rococco waren, und um welche manche Mode-dame die Besitzerin beneidet hätte". In einem an-stoßenden, langen Gemach, das gegen den Hof zu lag, hingen die Familienbilder ^).
In diesem blauen Zimmer hatten Karoline Pichler und ihre literarischen Freunde vor und nach dem gereichten Tee ihre dichterischen Erzeugnisse zum Vortrag gebracht und hier kam oft die Schriftstellerin Pichler mit der Hausfrau Pichler in Zwiespalt, wenn etwa eine Vorlesung gar zu lange dauerte und das künstlich gebaute, zur Erfrischung bestimmte Eis unterdessen zu schmelzen drohte^). Im Leben und Treiben dieses Zimmers erhielt sie
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