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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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fünfziger Jahre über als gleichermaßen besinnungsloses wie beliebtes Sportreporter-Metaphernmonster weiterlebte. Knapp ein Jahr nach meiner Geburt 1941 war es dann zur Unschädlichmachung Heydrichs gekommen, ich aber ließ mich’s nicht verdrießen, sondern mich ab 1950 zum Halbstürmer umschulen, als der ich dann zum Spielmacher entschärft jahrelang mehr spirituell die Fäden zog.
    *
    Die Genese des Geistes, der Big Bang durchs Bücherlesen oder wie immer das großmächtig heißen mag:
    1949, mit acht, war ich im Sommer erstmals Übernachtungsgast auf dem Dachsriegel (827 Meter) bei Furth im Wald, einquartiert nach Art der Zeit und Eisenbahnerkinder in eine sehr spartanische Logishütte. Ein halbes Jahr später sprang mir aus dem Lesebuch der 3. Klasse im Zuge einer Herbstgeschichte der Satz »… schied die Sonne hinterm Dachsriegel« entgegen.
    Es war ein Urknall, ein Blitzeinschlag, ein Coup de coïncidence, ein Einschlag direttissima ins wie betäubte, wie überrumpelte Herz. Ein Blitz aus Überraschung, Welterahnung und auch Stolz. Stolz darauf, daß ich diesen Berg ja doch – »wirklich« kannte!
    Erstmals wohl waren Primär- und Sekundärwirklichkeit, Erlebnis- und Druckwelt aufeinandergetroffen, hatten sich ineinander verschränkt. Dagegen, gegen diesen Choc d’amour, hatten viel später Goethe und Kafka keine Chance mehr. Nicht einmal ganz die drei jäh herzbrechenden Worte aus dem dritten »Winnetou«-Band: »Er war tot.«
    Über sie weinte ich allerdings geschätzte vier Stunden lang. Und immer wieder auf. Aber ich las den Roman einfach viel zu spät, mit etwa 15. Da war die Ur-Druckbuchstaben-Empfindung schon nicht mehr lapidar genug. Der Schmerzerguß rührte da nicht mehr aus einem Wort (»Dachsriegel«), sondern aus dem Entgleiten, dem Vergehen, ja Verschwinden einer ganzen Welt.
    *
    Es war ein bißchen früher schon, vielleicht zu Schulzeitbeginn, es steht bereits in den »Sudelblättern« von 1986, – und ich bin froh, daß ich die Langzeiterinnerung heute unverändert wiederholen und absegnen kann:
    »Margeriten; Margeriten zu Sträußen gesammelt, des Abends Ende Mai, Anfang Juni, ein wilddurchwachsener Erzberghang mit drei kleinen Weihern; Margeriten und ein paar rötliche Blumen, langsamer Sonnenuntergang, Segen schöner Abendkühle, Margeriten von drei, vier Kindern gesammelt, für den anderen Tag, die Fronleichnamsprozession, auf dem schon schattigen, schwalbenübersegelten Heimweg, die Margeritensträuße schwingend; selig wie die Sonne meines Glückes lacht, Morgen voller Wonne – – das wär’s wohl schon gewesen, der Hochtag dieses Lebens.«
    *
    »Der Mensch wird frei geboren, und überall liegt er in Ketten.« Der bekannte Beginn eines inzwischen fast unbekannten Buchs von 1762 hat in meinem Fall eine gewisse Umkehrung erfahren dürfen insofern, als ich im Jahr 1941 unter der leidigen Knute Hüttlers rechtschaffen unfrei geboren wurde, jedoch seit meinem Eintritt in den katholischen Kindergarten 1945 schon kurz nach dem 8. Mai aller Ketten ledig bin, außer der Ketten der Wollust (luxuria) und Völlerei (gula) natürlich. Diese fesselten mich ab ca. 1954 erheblich, und noch heute finde ich das Joachim Kaisersche »fesselnd« (für Horowitz, Handke, Rubinstein, Beethoven, Carlos Kleiber, Furtwängler usw.) immerhin »aufregender« (Kaiser) als das ubiquitär multilateral omnipräsente bzw. völlig besinnungsfrei vor sich hingackernde hanebüchene »spannend«.
    »Aufregend« umgekehrt ist allerdings fast genau so spannungs- und gehaltlos, da wäre ja selbst »erregend« noch einen Hauch aufpeitschender und sinniger, wären nicht inzwischen aller Sinn und alle Aufpeitschkraft restlos auf der Strecke geblieben, samt der frühen oben skizzierten mir nicht unliebsamen Wollüstigkeit. »Da ich ein Knabe war« (Hölderlin) bzw., um genau zu sein, »als ich noch ein Knabe war« (Heine, Harzreise) und damals, wie beteuert, schon so vollkommen ohne Ketten lebte, ja vor mich hinlebte in »selbstverschuldeter Unmündigkeit« (Imm. Kant), doch auch was diese Unmündigkeit angeht, die hatte ich recht eigentlich mit drei Jahren schon ad acta gelegt zugunsten großräumiger Projekte und wahrhaft wahnhaft universalistischer Visionen und (Fragment)
    *
    »Die erste Person in der Gottheit und Jupiter, Calypso und die Madam Guion, der Himmel und Elysium, die Hölle und der Tartarus, Pluto und der Teufel machten bei ihm die sonderbarste Ideenkombination, die wohl je in einem menschlichen

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