Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
Oberhirten, der aber auch – erstmals machte sich da mein nachmals gerühmtes Wort- und Reimgedächtnis verdient – den Text aller übrigen Hirten u. dgl. auswendig konnte und den vielfach ratlos stockenden »Kindkollegen« (G. Polt) so laut einsagte, daß für leicht verlegenen Stolz bei meiner Mutter und Heiterkeit rund um den Stall von Bethlehem gesorgt war. Mühen hatte der Frühbegabte gleichwohl mit der ihm noch unvertrauten Bildung »Himmelvater in deiner Hut«. Zuerst machte ich »in deinem Hut« draus und fand dann, gemahnt von der regieführenden Klosterschwester, zu der mich schon eher überzeugenden Version »Himmelvater in deiner Wut«.
Die nämlich schien mir angesichts der schändlich rassistischen Herbergsverweigerung als entsprechendes Gefühl auch von Maria und Josef durchaus so überzeugend, wie sie, die Wut, was ich da aber vielleicht nur ahnte, tatsächlich ja im 2. Buch Moses 20,1–18 sowie etwas später bei Hildegard von Bingen steht.
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Wissen täte ich gern, wie ich als vermutlich Vorschulkind beim ersten zerebralen Zusammentreffen mit den mir nachmals so bedeutsamen »Alpen« reagiert, auf die Sache wie aufs Wort »mental« (Boris Becker), also spirituell und gemütsmäßig geechot habe. Neugier? Wißgier, wie damals auf alles und jedes? Mit Gewißheit war es die tiefbraune, alles andere an Bräune in den Halbschatten stellende Alpenfarbe, die mich beim inständigen Blick in den Diercke-Atlas fesselte, ja bannte. Verband damit sich eine Vorstellung? Die etwa eines locus horribilis, wie ich sie später nachlas? Waren sie, die Alpen, mir via Atlas ungeschaut und unbesehen bereits jenes »geheimnisvolle Mächtige«, als das sie zwei Jahrhunderte vorher bei Haller und Gessner beraunt worden waren? Wandelte mich bei der Tiefbräune bereits der »erhabene Eindruck der Heiligkeit der Öde« an, wie ihn Richard Wagner nachbuchstabierte, aus der mehrfachen begeisterten Anschauung heraus feiernd das »wonnevoll Schöne« (Brief an Minna 16.12.1854)?
Oder erahnte ich die Alpen mehr als Lebens-Schicksals-Landschaft, als die sie der seitens meiner Tante Grete sehr geschätzte Ludwig Ganghofer (»ein schwärer Autor«) deutet?
Zu entsinnen meine ich mich, daß ich beim Blick in den Diercke im Falle der Alpen etwas weitläufig Schartiges imaginierte, etwas bräunlich Schokoladenkantiges auch, gewissermaßen einen leicht gebogenen Betonblockschokoladenklotz –
Wie immer, sehen tat ich die Alpen erst recht spät, mit zehn, bei einer damals sogenannten Queralpenfahrt im türkisgrünen Großraumschlitten meines amerikanischen Onkels Peter aus Phoenix/Arizona. Einer Autofahrt von Berchtesgaden bis Mittenwald und Garmisch zur Zugspitze und an die Partnachklamm-Wasserfälle – da war aber die Grundfarbe Braun bereits mehr ins ewig Gräuliche verwichen und überhaupt nicht mehr allzu seelenbetäubend. Prägender das Zwischenstadium, das ich mit dem Erlernen der Buchstaben erklommen hatte und das mich mit sechs schon allzeit beim »Schweizer Kurort« mit fünf Buchstaben herzhaft ein mir sehr unbekanntes und geheimniszart rosenprangend Fastüberirdisches ins Kreuzworträtsel eingravieren hieß: »Arosa«.
Mein erschütterndes und gleichzeitig unerschütterliches Ahnungsvermögen war eben damals schon rothornspitze.
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»Ehrliche Leute, aber schlechte Musikanten« (Karl Simrock, 1846). Und umgekehrt: Von einer gewissen Korruptivität war ich schon ganz zu Beginn meiner künstlerischen Aktivitäten schwerlich freizusprechen. Immer wenn ich meinem Großvater, einem Ideal-Opa, auf dem Akkordeon das damals noch recht bekannte Lied »Tief drin im Böhmerwald«, aus dem er abstammte, vorspielte, bekam ich 1 Deutsche Mark. Nicht weiter verwunderlich, daß ich dann häufig, wenn ich gerade 1 Mark brauchte, den Großvater zaunpfahlwinkend zu mir bat, ihm das Lied vorspielte und zuweilen wohl auch – sang. Mit sicherem Erfolg.
Späterhin war es mir dann zwar ein erstaunlich Leichtes, so manchen üppigen Geldpreis für literarische Meriten abzulehnen und zugunsten Bedürftigerer zurückzutreten. Aber für die kleinen Mark- und Eurobeträge hatte und habe ich noch immer triftig ein offenes Herz und Ohr.
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Wenn es stimmt, und es stimmt, was in meiner Helmut-Kohl-Jugendbiographie von 1985, S. 38, steht, dann war mein erster literaturgeschichtlich relevanter Text als Zeitzeugnis aus dem Jahr 1948 dieser:
»Liebes Christkind! Ich wünsche mir eine Straßenbahn, einen Kaufladen, einen Christbaum,
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