Denn mit Morden spielt man nicht - Granger, A: Denn mit Morden spielt man nicht - Mixing with murder
dergleichen.«
Sie sah mich erschrocken an. »Gibt es ein Problem mit den Leitungen?«, fragte sie. »Kommt Wasser durch meine Decke?«
»Nein«, antwortete ich geduldig. »Ich habe das nur als Beispiel gesagt. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich möchte eben nach oben gehen und nachsehen.«
Diesmal war ich zu schnell für sie. Ich huschte um sie herum und war schon halb den ersten Treppenabsatz hinauf, bevor sie reagieren konnte. Doch so leicht war sie nicht bereit aufzugeben.
»Kann ich nicht mit Ihnen kommen?«, rief sie mir hinterher, indem sie eine Hand auf das Geländer legte und Anstalten machte, sich die Treppe hinaufzuziehen. »Für den Fall, dass die Leitungen undicht sind?«
Ich hatte inzwischen den oberen Absatz erreicht. Lisas Appartement lag tatsächlich links von der Treppe, genau über dem Exil der Überreste des österreich-ungarischen Kaiserreichs. Ich sperrte die Tür auf, so schnell ich konnte, huschte hinein und schloss sie hinter mir wieder, für den Fall, dass die Alte mir tatsächlich die Treppe hinauffolgte.
Die Luft in der Wohnung legte die Vermutung nahe, dass sie seit einer Weile nicht mehr benutzt worden war. Die eingesperrten Gerüche hafteten in Möbeln und Vorhängen: abgestandener Zigarettenrauch, frittiertes Essen und Schaumbad mit Lavendelduft. Ich ging zum Fenster, um zu lüften. Dann sah ich mich um.
Ganesh hatte recht: Das alles hier sah nicht so aus, als könnte sich eine Nachtclubtänzerin diese Wohnung leisten, selbst wenn sie gut bezahlt wurde. Ich befand mich im Wohnzimmer, das einen Parkettboden besaß und mit zwei riesigen weißen Ledersofas möbliert war. Zwischen den sich gegenüberstehenden Sofas stand ein Glastisch in einem aggressiv modernen Design. An der Wand hing ein großes Aktgemälde. Das Mädchen auf dem Bild war dem Betrachter abgewandt, doch es sah ihn über die Schulter an. Es war nicht Lisa, sondern wahrscheinlich das professionelle Modell des Malers, weil das Bild ein Original war und aussah, als hätte es eine hübsche Summe gekostet. Selbst ich konnte sehen, dass es außergewöhnlich erotisch war, und das erweckte ein merkwürdiges Gefühl in mir. Nicht, weil ich prüde war, sondern weil ich bezweifelte, dass eine Frau sich ein solches Bild an die Wand gehängt hätte. Auch die beiden Monstersofas machten einen maskulinen Eindruck. Ich fragte mich, ob ich in der richtigen Wohnung gelandet war.
Ich warf einen Blick in die kleine, sauber aufgeräumte Küche, wo es schwach nach gutem Kaffee und Peperoni-Pizza roch.
Als Nächstes ging ich ins Badezimmer. In einem Wäschekorb lagen zahlreiche benutzte Handtücher, die darauf warteten, gewaschen zu werden. Ein großes Badetuch hing achtlos über dem Rand der Wanne. Ich berührte es – es war feucht. Im Bereich des Abflusses standen noch Wasserreste. Hätte das Wasser inzwischen nicht längst verdunstet sein müssen? Lisa war seit mehreren Tagen in Oxford.
Ich öffnete die Tür des verspiegelten Toilettenschranks und fand eine Auswahl von Kosmetika und Schminkartikeln, alle dicht zusammengedrängt. Und einen elektrischen Männerrasierer. Ich schloss den Schrank und richtete meine Aufmerksamkeit auf einen kleinen Abfalleimer. Er enthielt ein lippenstiftverschmiertes Papiertuch und ein zerrissenes Stück weißen Karton. Ich nahm ihn hervor und studierte die Teile. Es waren die Überreste einer kleinen Schachtel, wie man sie in Apotheken kaufen kann. Es war nur wenig vom Aufdruck übrig, doch es reichte, um mich erkennen zu lassen, was in der Schachtel gewesen war. Meine Unruhe verstärkte sich noch.
Doch ich war hier, um einen Pass zu holen, und ich tat gut daran, mich zu beeilen. Das Bedürfnis zu verschwinden wurde überwältigend. Ich fand das Schlafzimmer, doch erst nachdem ich einen kleinen Abstellraum durchquert hatte, den Lisa offensichtlich als begehbaren Kleiderschrank benutzt hatte. Ihre Sachen hingen auf langen Stangen, wie man sie in Geschäften findet. Jede nur vorstellbare Garderobe war dort, nicht nur die Kostüme von ihren Auftritten mitsamt alldem Strass und Lurex. Lisa besaß die Sorte von überquellendem Kleiderschrank, von der die meisten jungen Frauen nur träumen können, und nichts von alledem war billig. Schuhpaare reihten sich an der Wand. Ich zählte zwanzig, Turnschuhe und hohe Stiefel und Jimmy Choos und Manolo Blahniks. Einige sahen aus, als wären sie noch nie getragen worden, sondern lediglich das Ergebnis eines hemmungslosen Einkaufsrausches.
Das
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