Denn rein soll deine Seele sein
und die frische Luft genießen.«
Sie ging zögernd zur Tür, straffte sich und war verschwunden.
Auch Rina stand jetzt auf, reckte sich und sah wieder auf die Uhr. Die Kinder waren noch im Computerclub, Steve würde sie nach Hause bringen, und dort wartete schon der Babysitter, sie brauchte sich also nicht zu beeilen. Sie zog die Schuhe aus, rieb sich die Füße, schlüpfte in Stricksocken und tappte, Putzutensilien unter dem Arm, über die spiegelnd weißen Fliesen.
Das erste Badezimmer hatte Sarah Libba benutzt und sauber und ordentlich hinterlassen. Handtücher und Laken lagen korrekt gefaltet auf dem gekachelten Waschtisch, die Badematte hing über dem Wannenrand, aus Kamm und Bürste waren die Haare entfernt.
Rina scheuerte Fußboden, Wanne, Waschbecken und Dusche. Sie füllte die Seifendose, die Behälter für Wattestäbchen und Wattebälle nach, schraubte die Zahnpastatube zu, legte den Kamm in eine Desinfektionslösung und nahm den Abfall und die Schmutzwäsche mit. In dem zweiten Badezimmer herrschte ein wildes Durcheinander, aber auch hier hatte sie wenig später wieder Ordnung geschaffen.
Sie leerte den Abfall in einen Müllschlucker, der in einen draußen stehenden Müllcontainer mündete, und steckte Handtücher, Laken und Waschlappen in die große Waschmaschine. Jetzt kamen die eigentlichen mikvot an die Reihe.
Das Bad der Frauen war ein dunkelblau gekacheltes, in den Boden eingelassenes Becken, das etwa l ,20 m tief war und 2,30 m im Quadrat maß und in das acht Stufen hinunterführten. Ein Handlauf erleichterte den Badenden den Einstieg. Nach den Religionsvorschriften mußte das Wasser natürlicher Herkunft sein - Regen, Schnee oder Eis -, aber das kristallklare Becken war beheizt.
Wieder einmal freute sich Rina an dieser schönen Mikwe. Sie dachte an das Bad, das sie vor sechs Jahren in einem Notfall benutzt hatte, und schauderte noch im nachhinein. Sie hatten Yitzchaks Eltern in Brooklyn besucht. Es war Winter gewesen, und der Wetterdienst hatte eine Schneesturmwarnung herausgegeben. Die nächstgelegene Mikwe war nicht viel besser als ein mit schmutzigem, eiskaltem Wasser gefülltes Loch. Mit angehaltenem Atem hatte sie sich zum Untertauchen gezwungen. Als sie herausstieg, kam sie sich besudelt vor. Obgleich nach dem rituellen Tauchbad ein Wannenbad eigentlich nicht erlaubt war, hatte Yitzchak ein Auge zugedrückt, als Rina sich, durchfroren, wie sie war, in dem herrlich heißen Wasser der Badewanne aufgewärmt und sich die schmutzige Schleimschicht von der Haut gewaschen hatte.
Es waren die Frauen in der Jeschiwa gewesen, die lautstark den Bau einer sauberen Mikwe gefordert hatten, einer Mikwe, die es ihnen leichtmachte, die Reinheitsgesetze zu befolgen. Und sie hatten sich durchgesetzt. Die Fliesen für das Becken und die Badezimmer kamen aus Italien, zusätzlich war noch eine Kosmetikecke mit zwei Toilettentischen, Haartrocknern, Kämmen, Bürsten, Lockenstäben und Make-up-Spiegeln vorgesehen worden. Mit der Planung hatten sie einen Architekten beauftragt, und der Bau hatte rasche Fortschritte gemacht. Jetzt hatte die Jeschiwa eine eigene Mikwe, und die Frauen brauchten nicht mehr stundenlange Fahrten in Kauf zu nehmen, um das Gebot der taharat hamischpacha, die spirituelle Reinigung durch das Untertauchen im rituellen Bad, zu befolgen.
Rina wischte den Boden trocken und schaltete Heizung und Licht aus. Dann ging sie weiter zu der Mikwe der Männer, die schmuckloser und lediglich mit schlichtweißen Kacheln ausgekleidet war. Beheiztes und gefiltertes Wasser hatten die Männer nicht haben wollen, aber der Rosch-Jeschiwa legte größten Wert auf peinliche Sauberkeit. Rina wischte auch hier auf, obgleich das strenggenommen nicht zu ihren Obliegenheiten gehörte.
Zum Schluß putzte sie noch das kleine Becken, das zur rituellen Reinigung von Koch- und Eßgerät aus Metall diente. Am Boden lag eine Bratpfanne, die hatte wohl Ruthie Zipperstein vorhin vergessen. Rina beschloß, sie ihr auf dem Heimweg vorbeizubringen.
Sie trocknete sich die Hände ab, dann setzte sie sich in einen alten Polstersessel im Aufenthaltsraum, holte einen Stapel Klassenarbeiten hervor und begann zu korrigieren, während die Waschmaschine leise summte. Sie hatte etwa die Hälfte des Stapels durchgearbeitet, als sich die Maschine ausschaltete. Während Rina aufstand, um die Wäsche in den Trockner zu packen, hörte sie einen Schrei und fuhr unwillkürlich zusammen.
Katzen, dachte sie. Auf dem Gelände der Jeschiwa
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