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Denn Wahrheit musst du suchen

Denn Wahrheit musst du suchen

Titel: Denn Wahrheit musst du suchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Daugherty
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Fahrer nicht sehen.
    Was ist denn los, verdammt noch mal? Jetzt fahr endlich, Mann!
, hätte sie am liebsten gebrüllt.
    Als sie schon dachte, sie wäre aufgeflogen, setzten sich die Reifen des schwarzen Audi knirschend in Bewegung, und der Wagen fuhr langsam über den Kiesweg auf die Schule zu.
    Beinahe zeitgleich setzte sich auch das Tor wieder in Bewegung, doch Allie wagte nicht, sich zu rühren. Das Auto war immer noch zu nahe – der Fahrer hätte sie im Rückspiegel sehen können.
    Die Augen fest auf das Tor gerichtet, wartete sie mit angespanntem Körper. Ihre Muskeln brannten.
Fahr weiter!
    Doch der Fahrer schien sich bewusst Zeit zu lassen.
    Als wüsste er, dass ich da bin.
    Bei dem Gedanken wurde ihr ganz anders. Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen.
    Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren, Allie!
, schalt sie sich.
Reiß dich zusammen! Wenn er dich gesehen hätte, wäre er doch schon längst ausgestiegen.
    Sie sah zu, wie sich das Tor langsam schloss, und zählte die Atemzüge. Drei. Vier. Fünf.
    Ein Spaltbreit nur noch. Der Wagen war zwar immer noch in Sichtweite, doch sie hatte keine Wahl – wenn sie es jetzt nicht versuchte, dann würde sie nie hier rauskommen.
    Sie schnellte aus ihrem Versteck hervor und rannte los. Das Knie schmerzte, ihre Lungen brannten. Die Lücke zwischen Tor und Zaun wirkte winzig klein. Zu klein. Hatte sie sich verkalkuliert? War es zu spät?
    Dann hatte sie das Tor erreicht. Ihre Hände umklammerten die kalten Gitterstäbe, als könnte sie sie so aufhalten. Doch das Tor funktionierte automatisch – es ließ sich nicht stoppen. Unaufhaltsam schloss es sich, erbarmungslos.
    Allie zögerte trotzdem nicht und schoss durch die enge Lücke. Die Gitterstäbe zerrten an ihrer Jacke wie knochige Finger und rammten ihre Schulter mit einer solchen Wucht, dass sie sich vor Schmerz auf die Lippe biss.
    Mit einem unterdrückten Schrei riss sie sich los und stolperte auf die andere Seite, während das Tor scheppernd ins Schloss fiel.
    Sie war frei.

[zurück]

Zwei
    Allie hatte zunächst gar nicht vorgehabt, abzuhauen. Eigentlich wollte sie nur den Unterricht schwänzen.
    Wie so oft in letzter Zeit. Lernen passte irgendwie nicht mehr zu ihrem Leben. Wozu sich also Mühe geben?
    Nachdem man sie ein paar Mal gegen ihren Willen in den Unterricht gezerrt hatte, war sie dazu übergegangen, sich Verstecke zu suchen, damit es erst gar nicht so weit kam. Das weitläufige, viktorianische Schulgebäude mit seinen zahllosen Ecken und Winkeln eignete sich hervorragend für solche Zwecke – besonders gern nutzte sie leer stehende Zimmer und Dienstbotenstiegen, wo niemand auf die Idee kam, nach ihr zu suchen. Die Krypta, die Kapelle … Die Möglichkeiten, sich zu verstecken, waren unbegrenzt.
    Nachdem sie an diesem Tag mehrere Unterrichtsstunden über sich hatte ergehen lassen, war sie aus dem Fenster ihres Zimmers geklettert, über das schmale, steinerne Sims zu der Stelle geschlichen, wo die Dachschräge nicht ganz so abschüssig war, und hinaufgeklettert bis zu der Stelle, wo Jo einmal mit einer Flasche Wodka in der Hand wie irre herumgetanzt hatte und Allie und Carter sie davor bewahrt hatten, abzustürzen.
    Allein mit ihren Erinnerungen hatte sie mehrere Stunden lang in der Kälte gehockt und die Schüler und Angestellten unten auf dem Gelände beobachtet. Erstaunlich, dass nie mal jemand nach oben schaute. Allerdings strotzte das Dach nur so von Schornsteinen und schmiedeeisernen Ornamenten, weshalb es ihr leichtfiel die anderen zu beobachten, ohne selbst gesehen zu werden; eine lebendige Zierfigur.
    Und so ging auch dieser Tag an ihr vorbei wie so viele in letzter Zeit, bis sie irgendwann vertraute Stimmen hörte, und zwar überraschend nah.
Haben die mich entdeckt?
, fragte sie sich erschrocken, doch nach einer Weile merkte sie, dass die Stimmen aus ihrem Zimmer kamen und durchs offene Fenster, das sich genau unter ihrem Sitzplatz befand, zu ihr hochdrangen.
    Allie hielt sich an einer Wasser speienden, drachenköpfigen Zierfigur fest und lehnte sich über den Rand des Dachs, um zu lauschen.
    »Ihr habt sie also noch nicht gefunden?« Isabelles Stimme klang nervös.
    »Nein«, antwortete Raj so leise, dass Allie Mühe hatte, ihn zu verstehen. »Mein Team sucht gerade das Gelände ab.«
    Sie würden sie nicht finden, auch diesmal nicht. Der Gedanke verschaffte ihr ein wenig Befriedigung. Sie mochte eine komplette Niete sein, wenn es darum ging, ein Leben zu retten, aber die angeblich

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