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Denn Wahrheit musst du suchen

Denn Wahrheit musst du suchen

Titel: Denn Wahrheit musst du suchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Daugherty
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Mitschüler ihrem Blick aus. Als wäre sie unsichtbar.
    So schnell sie konnte, lief sie die Treppen zum Mädchentrakt hinauf und durch den engen Flur bis zu ihrem Zimmer. Drinnen lehnte sie sich gegen die Tür – und genoss den Frieden. Als sie aber das Licht einschaltete, blieb sie wie angewurzelt stehen.
    Ihr Zimmer war picobello aufgeräumt.
    Die schmutzigen Klamotten waren verschwunden. Sämtliche Papiere geordnet. Die Bücher in die abgestaubten Regalbretter einsortiert. Der Holzboden war gründlich gewischt und das Bett mit einer frischen weißen Daunendecke überzogen worden, und am Fußende lag sorgfältig gefaltet eine blaue Wolldecke.
    Das war eine Botschaft von Isabelle, Allie hörte sie laut und deutlich: Keine Extrawürste mehr.
    Im Spiegel neben der Tür sah sie ihr strubbeliges Haar und das verschmierte Make-up. Da konnte sie sich schon denken, dass sie nach Cider und Schweiß roch.
    So gehörte sie jedenfalls nicht in dieses Zimmer.
    Sie zog die schmutzigen Jeans und den Pulli aus, wickelte sich in den warmen Bademantel, griff sich ein kuscheliges, weißes Handtuch und ging zur Tür.
    Im letzten Moment jedoch kehrte sie um, hob die Klamotten auf und warf sie in den Schmutzwäschekorb in der Ecke.
    Deal ist Deal.
    »Zufrieden?«, fragte sie in das leere Zimmer hinein.
    Auf dem Weg zur Dusche versuchte sie, ihre letzte Erinnerung an Mark aus dem Kopf zu bekommen, seinen ungläubigen Gesichtsausdruck, als sie ihm gesagt hatte, dass sie in Cimmeria bleiben werde. Isabelle hatte ihnen noch ein paar Minuten Zeit zu zweit gegeben, ehe sie ihn in den Zug zurück nach London setzte.
    »Willst du mich verarschen?« Fassungslosigkeit spiegelte sich in seinem Blick. »Die haben mich gerade stundenlang hier festgehalten! Du hast am ganzen Körper Narben, deine Lehrer sind Faschos, und jetzt soll plötzlich alles
okay
sein?!«
    Allie wusste nicht, was sie sagen sollte. Wie sollte sie einem Außenstehenden erklären, was sie inzwischen alles in Erfahrung gebracht hatte?
    »Hör zu«, sagte sie, »es gibt vieles, wovon du nichts weißt.«
    Er unterbrach sie mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Komm schon, Allie. Ich hab deine Schule gesehen – das ist doch das reinste Schloss. ’n bisschen etepetete warst du ja schon immer, aber jetzt hörst du dich an wie die Queen!«
    Betroffen spürte Allie, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Sie schüttelte den Kopf. »Das ist nicht fair, Mark. Ich bin immer noch dieselbe.«
    »Nein, bist du nicht.« Er hatte die Hände in die Hüften gestützt und betrachtete sie, als sähe er sie zum ersten Mal. »Du merkst es vielleicht nicht, aber für mich liegt das auf der Hand. Du bist keine von uns mehr. Du stehst jetzt auf der anderen Seite.«
    Als sie sich jetzt an den Blick erinnerte, den er ihr daraufhin zugeworfen hatte, fröstelte Allie, und sie zog den Bademantel fester um sich.
    Seufzend stieß sie die Tür zu den Mädchenduschen auf. Um diese Uhrzeit waren sie glücklicherweise vollkommen verlassen. In einer schneeweißen Duschkabine drehte sie das heiße Wasser auf, bis es fast wehtat, und stellte sich unter den Strahl, damit er den Schmutz der vergangenen vierundzwanzig Stunden fortwusch.
    Als sie sich einseifte, fiel ihr erneut auf, wie sehr der Autounfall ihren Körper verändert hatte – unter ihren Fingerkuppen fühlten sich die Narben an wie glatte Beulen. Jede einzelne erinnerte sie daran, was sie zu erledigen hatte.
    Etwas, das der Therapeut während einer ihrer Sitzungen gesagt hatte, nagte an ihr: »Es ist okay«, hatte er gesagt, »dass du überlebt hast und Jo nicht.«
    Damals hatte sie ihm nicht geglaubt.
    Vielleicht hat er ja doch recht gehabt
, dachte sie nun.
Ich muss leben, damit ich Gabe umbringen kann.
    Als sie wieder im Zimmer war, bändigte sie ihr verfilztes Haar mithilfe eines Kamms und trug Make-up auf. Doch selbst danach lagen noch dunkle Schatten unter ihren grauen Augen; ihre Haut war ganz fahl.
    Sie riss den Kleiderschrank auf und ging die Reihe der dunkelblauen Optionen durch. In Cimmeria war es nie besonders schwer, die richtigen Klamotten auszuwählen. Als Erstes dunkle Strumpfhosen und ein kurzer Faltenrock. Anschließend eine frisch gebügelte, durchgeknöpfte weiße Bluse und darüber ein blauer Blazer. Ein Paar von den bequemen Schulschuhen, und fertig war die Cimmerianerin.
    Sie sah auf ihre Uhr – es war fast Abendessenszeit.
    Also dann
, dachte sie mit grimmiger Entschlossenheit,
auf zum Bußgang.
    Während sie die Treppe

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