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Depeche Mode

Depeche Mode

Titel: Depeche Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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ich muß es also sagen, selbst wenn er nicht hinfährt – ich habe meine Schuldigkeit getan. Keine Ahnung, ob ich mich danach besser fühle, ich hab ja eine normale Familie, normale Eltern, hab sie zwar fast ein Jahr nicht gesehen, aber trotzdem – bei mir ist alles anders als bei ihm, ich weiß also nicht, weiß echt nicht. Plötzlich denke ich an Marusja, vielleicht sitzt sie gerade dort, auf dem Balkon, umarmt ihren Molotow, der irgendwie an ihren Generals-Papa erinnert. Warum kann sie nicht mit ihrem Vater so sitzen? Was hindert sie daran? Keine Ahnung, aber wenn du eine Wohnung mit Blick auf die Munizipalität besitzt und eine Garage mit einem schrottigen Schiguli, dann fällt dir so was nicht mehr auf, versteht ihr, was ich meine, dann bedeutet es dir nichts mehr, und du findest es viel natürlicher, eine kupferne Büste des ZK-Mitglieds Molotow zu umarmen als deinen eigenen, lebendigen Vater, so ist das eben. Zündkerze aber ist eine ganz andere Geschichte. Der hat, denke ich, in seinem Leben so viel Scheiße gefressen, daß er diese ganze Belastung durch die Familie, den einbeinigen Stiefvater, Onkel Robert echt nicht braucht. Jedenfalls scheint es mir so, aber wer weiß, wie es wirklich ist, ich stehe einfach hier und rufe mir alles in Erinnerung, die ganzen Gespräche, so wie ich sie behalten habe, aber wer bin ich schon, all das zu beurteilen. Besser zu ihm gehen und alles erzählen.
     
    13.10
    – Laß uns besser rausgehen.
    – Okay, – sagt er, wir treten auf den Bahnsteig, gehen bis ans Ende und setzen uns an den Rand, mit dem Gesicht nach Osten, woher der Zug kommen wird.
    – Wie geht es dir hier? – frage ich.
    – Okay, – sagt Zündkerze. – Hier ist es klasse. Irgendwann kaufe ich mir hier ein Haus.
    – Hier?
    – Ja.
    – Was willst du hier machen?
    – Ein Sägewerk bauen, – sagt Zündkerze. – Die Taiga abholzen. Schau nur die vielen Bäume. Genug für ein ganzes Leben.
    – Ja, – sage ich, – heiratest irgendeine Pionier-Betreuerin. Kriegt einen Haufen Kinder.
    – Nein, – sagt Zündkerze. – Bloß keine Kinder.
    – Warum nicht?
    – Weiß nicht, – sagt er, – weiß nicht. Ich will nicht, daß sie all das hier sehen, verstehst du?
    – Na, du hast es aber doch auch gesehen?
    – Genau darum will ich ja nicht. Lieber baue ich ein Sägewerk.
     
    13.20
    – Weißt du, das Wasser ist hier ziemlich kalt. Ich schwimme nur nachmittags, wenn es sich etwas aufgewärmt hat.
    – Heute regnet es, da wärmt es sich bestimmt nicht auf.
    – Ja, vielleicht nicht.
    – Was wollen wir machen?
    – Weiß nicht. Laß uns warten. Irgendwann muß es sich aufwärmen.
    – Wer weiß, – sage ich, – wer weiß.
     
    13.30
    – Ist noch was da?
    – Ja, – sage ich, – ein bißchen.
    – Heb es auf für nachher, okay?
    – Wie du meinst, – sage ich. – Du hast schließlich Geburtstag, nicht ich.
    – Ich mag meinen Geburtstag nicht.
    – Wie das?
    – Weiß nicht, verstehst du, hab mich immer komisch gefühlt, als Kind, alle schwirrten um mich herum und wollten was von mir. Aber der Geburtstag gehört doch eigentlich mir, verstehst du?
    – Hm.
    – Jetzt kommt der Zug nach Wuslowa.
     
    13.47
    – Hör mal, – sage ich, – und eure Pioniere laßt ihr baden?
    – Klar, – sagt Zündkerze.
    – Und wenn das Wasser kalt ist?
    – Denen ist das egal, sind wie die Frösche – hüpfen ins eiskalte Wasser, schwimmen drin rum. Ihnen gefällt es, sie verstehen noch nicht, daß das Wasser kalt ist.
    – Noch keiner ertrunken?
    – Wir lassen sie nicht. Selbst wenn du wolltest, würdest du hier nicht ertrinken. Es ist doch ein Lager, verstehst du?
     
    13.52
    Er bricht gelbes, trockenes Brot, da, sagt er, nimm, ich nehme ein Stück und lege es neben mich auf den Asphalt, hinter den Wolken kommt endlich die Sonne hervor, in ein paar Stunden hat sich das Wasser bestimmt aufgewärmt und man kann durch diesen ihren Fluß schwimmen und endlich nachsehen, was sich dort befindet – auf der anderen Seite des Wassers, das die ganze Zeit hier in meiner Nähe ist, wenigstens einmal rüberschwimmen und sich dort drüben in Ruhe alles ansehen, eine gute Gelegenheit übrigens, Hauptsache, das Wasser wärmt sich auf, der letzte Zug für heute fährt an uns vorbei, die Wolken ziehen ihm unzufrieden nach, die Realität verzieht sich in westliche Richtung wie ein Dia, gleich kommt das nächste Bild, Zündkerze kaut schweigend sein gelbes Brot, von den Kiefernzweigen tropft es auf die Plastikdächer der

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