Depeche Mode
obwohl der Zug wackelt, was für ein Verhältnis also, schraube die Wärmflasche wieder zu, und wir trinken.
11.45
– Gibt's hier ein Klo?
– Woher soll hier ein Klo kommen? Es gibt ja nicht mal eine Notbremse.
– Ich muß austreten.
– Mach's im Fahren.
– Verstehst du denn nicht? Ich muß austreten.
– Ich versteh schon. Schrei doch nicht so.
– Wann kommt der nächste Halt?
– Woher soll ich das wissen? – sage ich zu Wasja. – Ich fahre hier zum ersten und, wie ich hoffe, auch zum letzten Mal in meinem Leben.
– Der nächste Halt kommt in zwanzig Minuten, – sagt unsere Bekannte, die Schmugglerin. – Ich steige dort aus. Aber der Zug hält nur ein paar Minuten. Das schaffst du nicht, – lacht sie.
– Hörst du, – sage ich zu Wasja. – Das schaffst du nicht. Also los – raus auf die Plattform.
– Auf der Plattform kann ich nicht, – sagt Wasja.
– Warum?
– Kann nicht. Verstehst du?
– Nein.
– Ich kann so nicht.
– Dann warte halt, – sage ich.
– Ich kann nicht warten.
– Hör auf, – sage ich.
– Verstehst du denn nicht? – ist alles, was Wasja dauernd wiederholt.
12.05
– Genug, ich steige aus.
– Warte, – sage ich. – Wir haben nur noch fünfzehn Minuten zu fahren. Halt durch.
– Nein, – sagt Wasja.
– Warte doch, – sage ich. Das fehlt mir grade noch, daß der sich auch noch verdünnisiert. – Wir wollen doch zu Zündkerze.
– Ich steige aus, – sagt Wasja.
– Du Esel, – sage ich.
– Selber Esel, – antwortet Wasja und steigt hinter der Schmugglerin aus, an einer Station ohne Namen.
12.25
– Wann geht der nächste Zug nach Wuslowa?
– Um zwei. Nur daß er hier nicht hält. Der hält im »Chemiker«.
– Ist es weit bis zum »Chemiker«?
– Zehn bis fünfzehn Kilometer.
– Wie komm ich sonst nach Wuslowa?
– Dort drüben ist die Landstraße, vielleicht nimmt dich jemand mit.
Wasja bedankt sich bei dem beschwipsten Mann, den er hier am Haltepunkt ein paar Minuten ausgequetscht hat, und geht die Landstraße suchen. Die ist kaputt und leer, sieht nicht so aus, als würde hier überhaupt je was fahren, Wasja setzt sich an den Rand und wartet.
Nach einer halben Stunde hält ein Milchwagen. Wohin willst du, Bruder? fragen die Typen im Fahrerhäuschen, scheißegal, ich will nach Hause, okay, sagen sie – steig ein, Wasja klettert zu ihnen hoch und sie brausen los, was transportiert ihr? fragt nun seinerseits Wasja, Spiritus, lachen die Männer, echt? echt – Spiritus, wir verstecken uns hier vor den Zöllnern, geil, sagt Wasja, geil, lehnt sich an die Tür und schläft sofort ein, bingo, hört er nach vielleicht einer Stunde noch halb im Schlaf, wir sind drüben, wo drüben? versteht Wasja nicht, über die Grenze! lachen die Männer, was für eine Grenze? die russische, Bruder! wo fahrt ihr überhaupt hin? Wasja wacht endlich auf, nach Belgorod, lachen sie, Bel-go-rod, schon mal von so einer Stadt gehört, Bruder?
Epilog Nr. 3
– Taschen umdrehen, aber dalli.
– Aha? Und was sollen wir dir sonst noch umdrehen?
– Taschen umdrehen, hab ich gesagt! Sonst habt ihr alle ein Problem.
– Was du nicht sagst.
– Kapierst wohl nix, was? – Der Sicherheitsmann tritt an Little Chuck Berry heran und haut ihn mit einem plötzlichen Schlag in den Sessel. Keiner eilt ihm zu Hilfe. Der andere Sicherheitsmann steht an der Tür und läßt niemanden durch.
– Dalli, – sagt der erste. – Taschen umdrehen.
– Was ist denn los? – fragt jemand.
– Die Uhr.
– Welche Uhr?
– Die vergoldete, – sagt der Sicherheitsmann. Die vergoldete Rolex.
– Was haben wir damit zu tun?
– Außer euch war keiner hier, – sagt der Sicherheitsmann.
– Dieser amerikanische Schwanz hat sein Zimmer offengelassen, während er Mittagessen war, und außer euch war keiner hier.
– Scheiß auf seine Rolex.
– Taschen, – sagt der Sicherheitsmann plötzlich zu Kakao.
– Taschen umdrehen!
– Was? – fragt Kakao erschrocken.
– Taschen umdrehen, hab ich gesagt.
Kakao schweigt. Der Sicherheitsmann geht zu ihm, steckt die Hand in die Tasche seines sandfarbenen Sakkos und zieht blitzschnell eine schwere, vergoldete Uhr heraus. Du Wichser, sagt er und schlägt Kakao ebenso blitzschnell die Faust in den Bauch. Kakao fällt auf die Knie und kotzt auf den Boden.
Epilog Nr. 4
12.15
Während ich hier in diesem Waggon voller Kinder und Spekulanten sitze, auf einer hoffnungslos harten Bank, durchs
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