Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Depeche Mode

Depeche Mode

Titel: Depeche Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
Vom Netzwerk:
wer seid ihr?
    Wasja beginnt zu erklären. Die Typen hören zu, dann reicht es ihnen offensichtlich, und sie sagen, wißt ihr, das haben wir nur so gefragt, aus Höflichkeit könnte man sagen, aber eigentlich ist uns Jacke wie Hose, wer ihr seid und woher und wie viele, wir wollten euch eins sagen: wenn wir euch hier noch einmal sehen, dann begraben wir euch irgendwo zwischen Gleis 1 und Gleis 2, und jeden Abend wird über euren Gräbern erregt der Kiewer Zug pfeifen, aber im Moment lassen wir’s gut sein (worauf sich der eingeschüchterte Wasja ein bißchen entspannt, der eingeschüchterte Bootsmann aber nicht), wir sind es, die hier mit Alkohol handeln, es ist, kann man sagen, unser Territorium, und ihr habt hier nichts verloren (das spüren Wasja und Bootsmann plötzlich selbst), jetzt wo wir mit euch reden sehen wir, daß ihr wirklich keine Konkurrenz für uns seid, offensichtlich seid ihr einfach Spastis (die beiden stimmen in Gedanken zu), deshalb werden wir euch beim ersten Mal nichts tun, aber als Kompensation (»o je«, denkt Bootsmann, Wasja schweigt eingeschüchtert) nehmen wir euch den Wodka ab. Nicht den ganzen, seht ihr, was wir für edle Räuber sind, merkt’s euch. Sie langen in die Tüte und greifen sich jeder eine Pulle. Noch was, sagen sie – wir hätten euch überhaupt in Ruhe gelassen, aber ihr habt den Wodka viel zu billig verkauft, ihr verderbt die Preise, kapiert, ihr Spastis?
    Wasja und Bootsmann hauen ab, in die Unterführung, dort verschnaufen sie. »Schwule Säue, – sagt Wasja nach alter Tradition, – die gehören in die Produktion.« Aber Bootsmann findet die Idee nicht mehr überzeugend, laß uns heimgehen, schlägt er vor, fuck off, – sagt Wasja, noch fünf Flaschen, wenn wir die verkauft haben, gehen wir, die bringen uns um, – sagt Bootsmann, ach hör auf, – sagt Wasja, was hast du Angst, wir verticken schnell alles, kaufen was zum Futtern und dann heim, keine Angst, nein, – sagt Bootsmann, ich will nicht, hab Angst. Okay, – bricht es aus Wasja Kommunist heraus. – Scheiß auf dich. Da hast du deinen Lohn, hau ab: er holt zwei Flaschen raus und gibt sie Bootsmann. Bootsmann zögert nur einen Augenblick – also, – denkt er, – heute früh hatte ich gar nichts. Jetzt habe ich zwei Flaschen. Offensichtlich bin ich im Plus, – denkt er sich und nimmt den ehrlich verdienten Wodka. Okay, hau ab, – sagt Wasja, wir sehen uns daheim. »Echt ein Spasti«, – denkt er und schaut seinem Kompagnon nach, dessen müder Matrosenkadaver im Dunkel der Unterführung verschwindet. Draußen wird es auch dunkel, die ersten Sterne leuchten, und die Vögel suchen in der Bahnhofshalle Schutz vor dem Regen. »Wenn ich jetzt heimfahre, – denkt Bootsmann, – kann ich mich in der Dusche einschließen und bis morgen früh alles austrinken.« Und so macht er es dann auch.
     
    21.00
    Er nimmt alles, was noch da ist, und geht über den abendlichen Bahnsteig, wenn du neunzehn bist und den Kopf voll hast mit Pin-up-Mädchen, Reklame und Propaganda, dann mußt du das Risiko eingehen, ob du willst oder nicht – was solltest du auch fürchten auf Gleis 3 des Südbahnhofs der Stadt Charkiw. Um 21.00 Uhr kommt der Transitzug nach Baku, mit Baku-Schaffnern, solide Leute, die haben Geld, ist den Versuch wert. Wasja geht zum ersten Waggon, wird weggejagt, dann zum nächsten, beim dritten stoppt ihn ein dicker Baku-Kommissar, »ist der Wodka auch nicht gepanscht?« fragt er, »der Wodka ist okay«, sagt Wasja, »na gut, komm in den Waggon«, »warum in den Waggon?« Wasja wird mißtrauisch, »keine Angst, keine Angst«, sagt der Kommissar, »ich seh nur nach, ob du auch wirklich Wodka hast und kein Wasser, wenn er in Ordnung ist, kauf ich dir alles ab«. Sie gehen in sein Schaffner-Abteil, dort riecht es nach Anascha und einfach nach teurem Tabak, der Waggon ist warm und halb leer, kaum einer reist nach Baku, und die, die reisen, schlafen, neun Uhr abends, was sollen sie auch sonst machen, auszusteigen haben sie Angst, wollen nicht unnötig einem Milizionär in die Arme laufen, Wodka können sie später beim Schaffner kaufen, besser gar nicht im Bahnhof auftauchen, sie alle riechen meterweit nach Sperma und Shit, als ob sie den ganzen Weg, mehrere Tage und Nächte, in zugedröhntem Zustand wichsen, die Bürger des fuckigen Aserbaidschan, »rein mit dir«, sagt der Schaffner zu Wasja, Wasja taucht in die Düsternis des Abteils ein, und der Schaffner schließt mit einem Rumms die Tür hinter ihm,

Weitere Kostenlose Bücher