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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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mitten im Park, endet der Weg vor einem kleinen Theater! Es ist keine Halluzination. Leuchtende, blutrote Buchstaben kündigen das Programm an: »Gespenster-Vorstellung« — und schon hebt sich der Vorhang: ein riesiger, funkelnder Totenkopf hängt über der Bühne, schwebt langsam herunter, dreht sich dabei um die knirschenden Halswirbel — ein makabrer Tanz! Bei jeder Drehung scheint der Totenkopf lebendiger zu werden und verwandelt sich ganz allmählich in ein junges, fröhliches Mädchengesicht.
    Das ist endgültig zu viel für den jungen Briefboten! Wie vom Teufel gejagt, rennt er geradeaus, quer über den Rasen und die Blumenbeete, direkt zum rettenden Herrenhaus! Dort stürzt er die Steintreppe hinauf und hängt sich an die Türklingel.
    Niemand da? Er klingelt noch einmal. Nichts. »Das wird doch nicht schon wieder losgehen!« — Doch, es geht wieder los: Die Tür rührt sich nicht, aber in der Mitte bewegt sich etwas. Ein kunstvoll geschnitzter Löwenkopf springt plötzlich hervor, reißt das Maul weit auf und streckt die Zunge heraus. Darauf steht: »Herein«.
    Es dauert eine Weile bis der Briefbote seine fünf Sinne wieder beisammen hat. Er stirbt halb vor Angst, aber er kann nicht mehr zurück. Irgendwie ist er auch neugierig geworden. Als er die Tür drücken will, öffnet sie sich von selbst. Er tritt ein, und die Tür fällt hinter ihm zu. Nun steht er in einem hohen, düsteren Raum, alles ist erdrückend still, aber er ist nicht allein. Die unheimlichen Wesen, die ihn stumm begrüßen, versetzen ihn allerdings noch mehr in Panik, als die Erscheinungen im Park. Es sind Automaten, menschenähnliche, lächelnde Roboter! Nur weiß es André nicht! Wie sollte er auch... 1856?
    Er rührt sich nicht vom Fleck und klammert sich mit beiden Händen fest an seinen Brief — das Einzige, was ihn noch mit der Wirklichkeit verbindet in dieser Irrenwelt. Erst jetzt liest er den Namen auf dem Kuvert, dann ruft er mit bibbernder Stimme:
    »Monsieur? Monsieur Robert-Houdin?«
    Die Antwort kommt aus dem Zimmer nebenan: »Kommen Sie herein, junger Freund! Sie sind der neue Briefbote, nicht wahr? Sie hatten einen beschwerlichen Weg! Kommen Sie, wir genehmigen uns einen kleinen Begrüßungstrunk!«
    Allmählich ist André alles egal. Er fällt in einen Sessel und spült mit einem Zug den angebotenen Branntwein hinunter. Der Mann, der lässig vor ihm steht, so als wäre er völlig ahnungslos, ist etwa fünfzig Jahre alt, sehr elegant und überaus freundlich:
    »Geht es Ihnen besser?«
    »Monsieur, ich bitte um Entschuldigung, aber ich bin ein bißchen durcheinander. Alle diese Sachen im Park, und auch nebenan. Was, was ist denn das?«
    Der distinguierte Herr mit grauen Schläfen lächelt süffisant:
    »Es sind kleine Spielchen, die ich gern treibe, wenn jemand zum ersten Mal zu mir kommt. Aber Sie brauchen keine Angst zu haben! Es ist alles ganz harmlos und natürlich!«
    »Natürlich!«
    »Ja, natürlich, natürlich! Ich experimentiere ausschließlich mit Naturkräften, insbesondere mit der Elektrizität. Wissen Sie, was das ist?«
    Nein, André weiß es nicht und er will es auch gar nicht wissen. Er will nur so schnell wie möglich von hier verschwinden! Er ist so verwirrt, daß er beinahe vergißt, warum er eigentlich hierher gekommen ist.
    »Ach, Monsieur Robert-Houdin, der Brief! Hier, ich habe eine dringende Depesche für Sie!«
    Der Hausherr öffnet den Brief und liest ihn sofort. Dann starrt er einen Augenblick ins Leere, schenkt sich ein großes Glas voll ein, voll bis zum Rand und erklärt dem verdutzten Burschen:
    »Jetzt brauche ich auch eine kleine Stärkung!«
    Der Brief kommt aus Algerien. Colonel Neveu, Kabinettchef des Maréchal Randon, also des Generalgouverneurs von Algerien, schreibt:
    »Monsieur,
    Sie sind der größte Zauberkünstler aller Zeiten. Auf Wunsch des Kaisers höchstselbst und im Auftrag von
    Maréchal Randon, ersuche ich Sie, Ihre Kunst in den Dienst Frankreichs zu stellen. Sie allein können die Lage in Algerien noch retten.«
    Und in allen Einzelheiten erklärt er in seinem langen Schreiben den Ernst der Lage.
    Ein neuer Aufstand, angeführt von den Marabuts, ist in der Kabylei ausgebrochen. Diese mohammedanischen Einsiedler — Abgesandte des Propheten auf Erden — das behaupten sie wenigstens — gewinnen immer mehr Anhänger bei den Berbern, dank der Faszination, die sie durch ihre Zaubereien ausüben. Die Marabuts predigen im ganzen Land den Aufbruch zum Heiligen Krieg gegen die

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