Depesche aus dem Jenseits
Verschwenderin der Welt wird davor zurückschrecken. »Eure Hoheit, ich gehe ein großes Risiko ein! Sagen wir also 5000 Goldfrancs.«
Das war im Jahre 1901 ein solches Vermögen, daß man die Villa für diesen Preis gleich ein halbes Jahr hätte mieten können!
Zum größten Erstaunen des Maklers klingelt die Prinzessin nonchalant nach ihrem persönlichen Hoteldiener. Der erscheint wie aus der Pistole geschossen.
»Emile, bringen Sie mir meine Schatulle!«
Kurz darauf drückt die Tovarov dem verdatterten Makler 5000 Goldfrancs in die Hand:
»So, das Geld haben Sie, jetzt schreiben Sie den Mietvertrag! Ich beziehe die Villa am 31. Dezember um sieben Uhr morgens und verlasse sie genau nach vierundzwanzig Stunden. Schreiben Sie, schreiben Sie! Ja, bis zum 1. Januar 1902, sieben Uhr morgens! Und jetzt Ihre Unterschrift. Schön. Danke. Sie dürfen gehen.«
»Bitte... würden Ihre Hoheit die Güte haben... den Mietvertrag auch zu unterschreiben? Es ist so üblich.«
»Ach wirklich? Aber gerne mein Freund. Soll ich meinen vollen Namen neben den Ihren setzen oder genügt Großfürstin Tovarov? Sie haben mir wenig Platz gelassen!«
Sie genießt die Situation! Rache ist süß, und nun kann sie ihren Kopf durchsetzen: der Ball der Halb-Welt findet doch statt!
Es wird ein rauschendes, brillantes Fest! Bis Mitternacht tanzen und toben, trinken und schmausen und poussieren alle Gigolos mit ihren reifen Freundinnen, alle Lebedamen mit ihren vermögenden Beschützern. Die ganze Möchtegern-Gesellschaft der Belle Epoque! Die Halbwelt amüsiert sich wie noch nie!
Kurz nach Mitternacht treffen dann sehr andere geladene Gäste ein, die auf ihren diversen Bällen nur auf den zwölften Glockenschlag gewartet haben, um sich französisch zu verabschieden: Fürsten, Herzöge und Erzherzoginnen, Barone, Gräfinnen, Marquisen und Komtessen, Counts, Dukes und Earls — alles erste europäische Gesellschaft vom Atlantik bis zum Ural — alle schön angeheitert und heilfroh, sich an einem solchen Festtag einmal unbedenklich ins Vergnügen stürzen zu dürfen nach den öden, steifen Adelsbällen.
Wodka und Polka, Champagner und Mazurkas, Singen und Schäkern die ganze Silvesternacht hindurch! Um sechs Uhr morgens erreicht der Ball seinen Höhepunkt. Niemand denkt auch nur im Geringsten daran, gerade jetzt nach Hause zu gehen, wo es am schönsten ist. Die Gastgeberin zuallerletzt!
Der Mietvertrag läuft in einer Stunde aus! Was nun? In der allgemeinen Euphorie, die man sich vorstellen kann, schickt die Prinzessin ihre Domestiken zu dem braven Makler, der lieber im engsten Familienkreis einen Toast auf das Neue Jahr ausbringen wollte. Der arme Mann wird geweckt und zur Villa des Mimosas vor die Füße der Tovarov geschleppt. Die Kuriere haben ihm nicht einmal Zeit gelassen, sich ordentlich anzukleiden, geschweige denn, seine Pommade auf die Haare zu schmieren und sich zu rasieren.
Zehn Minuten vor sieben steht er wie ein aufgeschrecktes Gespenst inmitten der sorglos vereinten Fürsten und Frauenzimmer.
»Prost, lieber Freund! Wir trinken auf unsere Neue Welt!«
Dann bittet die Prinzessin um absolute Ruhe und erklärt mit schwerer Zunge:
»Ich kaufe die Villa!«
Freudengeschrei. Nur der Immobilienmakler steht stumm und still und stammelt:
»Doch nicht jetzt?«
»Wieviel?«
Drei Minuten vor sieben ist die Tovarov Besitzerin der Villa des Mimosas. Einen Notar herbeizuholen, war kein Problem. Es war einer unter den Gästen. Im Handumdrehen kritzelte er die einschlägigen Sätze auf die Rückseite seiner Menükarte, setzte seinen Namen darunter, anschließend der Makler und am Ende die neue Eigentümerin.
»Das muß gefeiert werden!«, ruft irgendein Erlauchter in die Beifall klatschende Runde. Alle sind außer Rand und Band! Nur der Makler behält einen kühlen Kopf und verläßt schnellstens das Irrenhaus, den verrücktesten Ball, der wohl jemals in Monte Carlo durch die Nacht getobt hat.
Erst um fünf Uhr nachmittags, nachdem die letzte Wodkaleiche von ihrem Kutscher abtransportiert wurde, verläßt auch die Prinzessin ihr neues Heim. Das nur für einen Tag gemietete Personal schließt die Fensterläden und die Türen, und endlich gehen alle nach Flause. In der Villa des Mimosas kehrt wieder Stille ein.
Mitte November 1917 — um den fünfzehnten herum, aber nicht ganz auf den Tag genau, steigt eine alte Frau vor dem Palasthotel in Monte Carlo aus der Postkutsche und fragt etwas schüchtern an der Rezeption, ob der
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