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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Ungläubigen, und die französischen Eroberungstruppen sind dagegen machtlos. Nicht nur die Ehre Frankreichs, sondern auch seine Kolonialpolitik stehen auf dem Spiel! Das Kaiserreich braucht dringend seinen eigenen Marabut, den größten von allen — Robert-Houdin. Wer — wenn nicht er, der König der Magier — wäre in der Lage, die kabylischen Zauberer mit ihren eigenen Waffen zu schlagen?
    Als der Briefbote sich verabschiedet, verspürt der Hausherr keine Lust mehr, seine Teufelsmaschinen in Gang zu setzen. Er hat jetzt andere Sorgen! Gewiß, niemand kann ihn zwingen sozusagen als Zauberpriester in den Krieg zu ziehen, nicht einmal Kaiser Napoléon der Dritte! Aber warum sollte er eigentlich ablehnen? Er hat schon alles erreicht und nichts zu verlieren. Als berühmtester Illusionist der Welt ist er schon von allen königlichen und kaiserlichen Höfen eingeladen worden, ist in allen europäischen Hauptstädten aufgetreten, warum nicht auch in Algerien? Diese Sondermission ist schon eine berauschende Herausforderung! Es wäre der Gipfel seiner Karriere.
    Am 10. September 1856 verabschiedet sich Robert-Houdin im Hafen von Marseille von seiner Frau. Und wie alle anderen Passagiere winkt er vom Deck aus, als das Schiff den Anker lichtet und Kurs auf Unbekannt nimmt. Damals war eine Reise nach Algerien noch eine richtige Expedition!
    In Algier empfängt Colonel Neveu seinen neuen, illustren Rekruten mit den gebührenden militärischen Ehren. Nach den Festivitäten zieht er sich aber bald mit dem Magier zurück und eröffnet ihm, was Frankreich nun von ihm erwartet: »Sie müssen die Marabuts aus dem Felde schlagen! Hier gelten sie als unverwundbare Heilige. Die primitive Eingeborenen-Bevölkerung betet sie förmlich an, als seien sie die Schwiegersöhne des Propheten! Nun liegt es an Ihnen, Monsieur Robert-Houdin, sie zu entlarven! Allen zu zeigen, daß ein Sohn Gottes mehr kann als nur Feuer schlucken und zerstampftes Glas essen. Mit solchen Zauberkünsten machen die Marabuts nämlich großen Eindruck!«
    »Ja, Colonel, ich verstehe schon, nur bin ich leider kein Fakir, sondern ein Illusionist. Ich kenne die Zaubertricks der Marabuts, aber solche mittelalterlichen Kunststücke stehen nicht auf meinem Programm. Ich bin ein Verwandlungskünstler, Colonel, kein Feuerschlucker!«
    »Sie haben sechs Wochen Zeit! Bis dahin wird Ihnen schon etwas einfallen, einfallen müssen! Wenn Frankreich die Kabylei verliert, dann verlieren wir auch bald ganz Algerien. Alles wäre umsonst gewesen! Und ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie wichtig die Eroberung von Algerien für unseren Kaiser ist!«
    Wahrscheinlich ist es das erste und einzige Mal im Laufe der Weltgeschichte, daß eine Regierung sich gezwungen sieht, einen Illusionisten zu mobilisieren, um ihre militärischen Eroberungen zu festigen.
    Robert-Houdin ist sich der Bedeutung und Tragweite seiner Mission voll bewußt! Kumpelhaft — wider jegliche hierarchische Gepflogenheiten — klopft er den Colonel auf die sternengeschmückte Schulter:
    »Mein lieber Freund, ich bin weiß Gott kein Heiliger und schon gar nicht unverwundbar! Aber die Marabuts stecke ich mit Leichtigkeit in die Tasche. Wir kriegen es schon hin. Allah wird sich wundern! Nun aber muß ich an die Arbeit. Bis dann, Colonel!«
     
    Jedes Jahr, Ende Oktober, finden in Algier die traditionellen, religiösen Feste statt. Ein prunkvolles Geschehen, das mehrere Tage dauert. Schon eine Woche vorher strömen die Eingeborenen zu Fuß und auf Kamelen aus den entferntesten Winkeln des riesigen Wüstenlandes in die Hauptstadt und belagern die Kasba, die Zitadelle, die Moschee und das Minarett, von dem aus fünfmal am Tag der Gebetsruf des Muezzin ertönt. Dazwischen aber wird kräftig gefeiert! Die Pferde- und Kamelrennen stehen immer im Mittelpunkt, die französische Kavallerie gegen die Spahis! Jedes Mal ein berauschendes, buntes Spektakel. In diesem Jahr allerdings stiehlt der große Marabut aus Frankreich allen die Schau. Es hat sich überall herumgesprochen, daß ein Ungläubiger stärker sein soll, als die Heiligen Priester des Propheten.
     
    Am 28. Oktober 1856 ist es soweit: Robert-Houdin erscheint auf einer improvisierten Bühne am Fuße des Minaretts vor einem feindlichen, stummen Publikum. Es ist fürwahr keine gewöhnliche Vorstellung! In den ersten Reihen sieht er den Maréchal Randon mit seiner Familie, daneben Colonel Neveu und die Offiziere des Generalstabs. Gleich dahinter stehen alle Kaïden im

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