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Der 50-50 Killer

Der 50-50 Killer

Titel: Der 50-50 Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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zu hören, während er aufstand und langsam hinüberging. Das Konzept für seine Rede lag schon dort bereit. Er nahm es mit zitternden Händen und beugte sich leicht dem Mikrofon entgegen.
    »Mein Name ist John Mercer«, sagte er. »Ich bin von Trauer erfüllt, fühle mich aber zugleich geehrt, heute hier zu Ihnen sprechen zu dürfen. Geehrt, dass ich Andrew Dyson als Freund und Kollegen gekannt habe.«
    Er hörte sich selbst diese Worte sprechen, aber sie klangen, als kämen sie von einem anderen. Kalter Schweiß brach ihm aus. Plötzlich fühlte er sich so dünn und schwach wie ein alter Mann. Sein Herz schien heftig genug zu pochen, um ihm die Brust zu sprengen.
    »Ich habe mit – ich hatte das Vergnügen, fünf Jahre mit Andrew zusammenzuarbeiten.«
    Er schluckte.
    Die übrigen Männer seines Teams auf der Kirchenbank sahen ihn besorgt an. Sein Stellvertreter Pete runzelte die Stirn. Er löste die verschränkten Arme, als wolle er aufstehen und zu ihm kommen. Mercer schüttelte den Kopf: Alles in Ordnung.
    Doch das stimmte nicht. Es war sehr warm hier drin, und trotzdem zitterte er. Seine Beine …
    »In dieser Zeit …«
    Eileen. Er schaute in den hinteren Teil der Kapelle und suchte sie. Er wusste ungefähr, wo sie war, doch jetzt, wo er sie brauchte, konnte er sie nirgendwo entdecken.
    Während sein Blick von Gesicht zu Gesicht wanderte und seine Panik sich bei jedem, das nicht das ihre war, verstärkte, fuhr er fort.
    »In dieser ganzen Zeit war er einer der besten Polizeibeamten, mit denen ich je zusammengearbeitet habe.«
    Etwas fiel ihm ins Auge und war dann wieder verschwunden. Er suchte danach.
    »Ich hoffe, es kann ein Trost für …«
    Doch dann sah er es wieder und verstummte. Ein Gesicht unter all den anderen, das ihn neugierig beobachtete.
    Das war doch Robert Parker, oder? Parker, der in einer Stadt im Süden fünf Jungen umgebracht hatte. Das letzte Mal hatte Mercer ihn in einem hell erleuchteten Raum gesehen. Parker, in orangefarbener Kleidung, hatte sich mit seinen durch die Handschellen behinderten Händen mühsam eine Zigarette angezündet. Mehrere Monate danach war er von einem anderen Gefangenen getötet worden.
    »… Trost für Andrews Frau und Kinder …«
    Er stockte.
    Es konnte nicht Parker sein. Doch dann bemerkte er den Mann zwei Reihen hinter ihm. Glatt zurückgekämmte Haare über einem runden, kindlichen Gesicht.
    Sam Philips. Mercer war als Berater an diesem Fall beteiligt gewesen und kannte den Mann nur von Fotos. Aber er hatte persönlich die verrosteten Gerätschaften aus Eisen untersucht, die Philips in dem Raum unter seinem Einfamilienhaus installiert hatte. Auch er konnte nicht hier sein. Er saß mehrere hundert Meilen von hier entfernt im Gefängnis. Parker und Philips standen auf.
    »Nein«, sagte Mercer.
    Schnell blickte er sich nach allen Seiten um und sah, dass noch mehr Männer in der Menge aufstanden. Sein Blick ging zu jedem Einzelnen, und sein Atem ging bei jedem vertrauten Gesicht heftiger.
    Charles Yi, der in die Wohnung von drei Frauen eingebrochen war und ihre Leichen, an Heizkörper gefesselt, zurückgelassen hatte.
    Jacob Neils, der Mörder vom Steinbruch.
    »Nein.«
    Harris Dale, der ganze Familien – eine nach der anderen – getötet hatte.
    Und eine letzte Gestalt stand allein ganz hinten in der Kirche. Mercer konnte ihn nicht richtig sehen, irgendwie war er vom Schatten verdeckt. Doch er konnte die eigentümliche Kopfform des Mannes erkennen. Und da waren auch Hörner … Wie ein Mann begannen die Gestalten, sich von links und rechts zum Mittelgang aufzumachen und sich an den Knien der Leute vorbeizudrücken. Alle starrten ihn an.
    Sein Herz stockte. Die Spannung in seinem Inneren war weg, da war nichts mehr. Er existierte nicht. Panik war alles, was er noch fühlte.
    »Nein.«
    Pete stand neben ihm und legte Mercer die Hand auf den Arm …
    »Ist schon gut, John.«
    Aber Mercer fuhr herum, stieß die Hand weg und starrte ihn an.
    »Siehst du sie nicht?« Er deutete den Gang entlang.
    Pete wirkte immer etwas niedergeschlagen, ein bisschen geknickt, aber jetzt war sein Gesicht so tieftraurig, wie Mercer es noch nie gesehen hatte. Er konnte seinem Chef nicht in die Augen sehen und schaute stattdessen mit verkniffenen Mundwinkeln zu Boden.
    »John«, sagte er leise. »Bitte, komm und setz dich.«
    »Nein, du verstehst nicht …«
    Er schaute den Mittelgang entlang. Die Männer kamen langsam auf ihn zu, bewegten sich wie Tote und sahen ihn alle aus leeren

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