Der 8. Februar (German Edition)
mit zur Bank Eichborn in Breslau. Ich wartete meistens im Auto und sah später, als wir schon in Heidau wohnten, Leute mit einem gelben Stern auf der Brust auf dem Platz vor der Bank. Die Bedeutung der Sterne verstand ich noch nicht. Viel später wusste ich dann, dass es sich um Juden handelte und sie diese Kennzeichnung tragen mussten.
Ich durfte auch mit in die Reithalle, in der Papa Reitunterricht nahm. Einmal war es fürchterlich kalt, als ich auf einer Balustrade stand und den Reitern und natürlich Papa zuschaute. Ich wollte auch eine gute Reiterin werden und sah mir alles ganz genau an. Der Trainer gab die Anweisungen und jeder in der Gruppe tat sein Bestes. Man konnte den Atem der Pferde sehen, als sie treu die Figuren liefen. Nach einer Stunde war es dann vorbei und wir gingen zurück zum Auto. Wir hatten einen Katalytofen im Wagen, doch der konnte mich auch nicht mehr retten. Ich kam mit einer Erkältung nach Hause und Mama schimpfte sehr mit Papa, dass er mich mitgenommen hatte. Eine eiskalte Reithalle wäre nichts für eine Vierjährige, sagte sie.
Unsere Eltern waren eines samstags in Heidau, um den bevorstehenden Umzug vorzubereiten. Die Arbeiter aus Glockschütz wussten, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren würden, denn der Weg zur neuen Gerberei war zu weit. Einige von ihnen waren Papas ehemalige Schulkameraden und sie protestierten, indem sie einen Zettel mit folgendem Wortlaut auf einem Stapel mit nassen Kalbfellen hinterließen:
„Die Felle kannst du dir alleine aufnageln (zum Trocknen aufspannen)!“
Mama und Papa mussten die Felle also allein aufnageln, was keine leichte Arbeit war, besonders für eine Frau.
1938 zogen wir endlich nach Heidau. Das Haus war viel geräumiger als das alte, hatte einen breiten Haupteingang mit einer Treppe und einer Veranda neben dem Kücheneingang. Wie allgemein üblich war das ganze Haus unterkellert. Mamas Bruder Karl hatte sich während der Abwesenheit Papas um die Landwirtschaft gekümmert. Familie Laudien, die Vorbesitzer, wohnten im Erdgeschoss und Großmutter Pauline im rechten Flügel.
Unser Haus in Heidau
Als wir einzogen hatten Laudiens das Haus natürlich verlassen und waren nach Berlin gezogen, wie wir später erfuhren. Sie waren pleite und mussten das Gut verkaufen. Was sie dann in Berlin machten, weiß ich nicht.
Papa schaffte neues Vieh an. Wir hatten Kühe, Pferde, Schweine, Hühner, Puten und Gänse. Unsere beiden Hunde, mit denen ich oft spielte und die ich als treue Freunde empfand, brachten wir aus Glockschütz mit. Der eine war Papas Jagdhund Minka, der andere hieß Strolch. Jedenfalls hatten wir viele Tiere und ich fand immer eine Beschäftigung. Wir hatten zweiundzwanzig Milchkühe, vier Zugochsen und acht Pferde, darunter vier schöne Reitpferde, von denen ich noch die Namen der beiden besten weiß: Bolko und Hellebarde. Es waren Papas Turnierpferde und er gewann einige Preise mit ihnen. Diese beiden Pferde wollte ich später auch reiten und alle paar Wochen ließ ich mich messen, ob ich endlich groß genug war. Woher sollte ich nur die Geduld nehmen?
Wir hatten natürlich auch ein paar Fahrzeuge. Papa hatte um 1925 mit einem dreirädrigen Auto Marke Tempo angefangen. Damit holte er die Wildware ( Füchse, Kaninchen, Persianer, Nerze und Lammfelle) von seinen Kunden ab und lieferte sie auch wieder damit aus. Die Kunden waren Kürschnereien in Breslau. Später hatte er dann einen weißen Audi mit schwarzem Verdeck, aber ins Kino fuhren wir von Glockschütz aus mit einem größeren Auto. Das muss etwa 1936 oder 37 gewesen sein, vielleicht war es ein Opel Admiral. In Heidau hatten wir zwei Lastwagen. Mit ihnen wurden Rohfelle, Chemikalien, Salz und Brennstoffe von der Bahn abgeholt und auch fertige Ware wurde damit zur Bahn gebracht. Eine Tankstelle gab es in Parchwitz bei Kupsch und es wurde mit Gutscheinen und auf Rechnung bezahlt. Zwei grüne DKW mit Revolverschaltung waren auch noch da und wir bekamen noch einen schwarzen Wanderer, der nur zugelassen wurde, weil er auf Holzgas umgestellt war. Ein Lastwagen fuhr auch auf Holzgas und jeder der Lastwagen hatte einen Anhänger. Dazu gab es noch ein Traktor und eine Raupe für die Feldarbeit.
Wir hatten noch ein zweites Gut im Nachbardorf Dahme. Papa kaufte es für Ruth zwei Jahre nach dem Heidauer Gut. Dort befanden sich noch einmal so viele Kühe und Pferde und einen Traktor. Das Wohnhaus war sehr groß und sah aus wie ein kleines Schloss,
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