Der 8. Tag
eröffnete sich ein weites Feld von Möglichkeiten. Er untersuchte ihre Bankkonten und machte sich so ein Bild von ihren Gewohnheiten, Vorlieben und Aktivitäten. Es gab regelmäßige Spenden an verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen, die mit dem Tierschutz zu tun hatten, und es gab nicht weniger als ein Dutzend Zeitschriftenabos, die sich alle mit diesem Thema befassten.
Ein Name drängte sich auf und sah viel versprechend aus.
Seit Anfang dieses Jahres gingen regelmäßig monatliche Zahlungen in Höhe eines guten Sekretärinnengehaltes an eine Sandra M. Smallwood.
Als er diese Zahlungen bis auf das Bankkonto von Miss Smallwood verfolgte, stellte sich heraus, dass deren Adresse mit der von Mrs. Korngold übereinstimmte. Das Interesse des Netzmannes war schon geweckt worden, jetzt meldete sich auch seine Neugierde. Seine Vorschriften waren streng. Es durfte keinen persönlichen Kontakt zwischen ihm und der Zielperson geben oder irgendjemandem, der in Beziehung zu der Person stand, bis er den richtigen Zeitpunkt für gekommen hielt. Dann würde er mehr über sie wissen als sie selbst, doch all diese Informationen hätte er heimlich auf elektronischem Wege gesammelt, wo seine Nachforschungen keine Spur hinterließen.
Er durchsuchte die Abonnentenkarteien der Tierschutzvereine und fand Miss Smallwood in den meisten von ihnen, wo sie schon vor ihrer Verbindung zu Mrs. Korngold verzeichnet war. Das musste das Verbindungsglied sein.
In einer der Dateien fand er die frühere Adresse von Miss Smallwood, die nicht gelöscht worden war. Es war eine auf der Van Nuys, ein ganzes Stück tiefer in der sozialen Hierarchie als ihre momentane Anschrift in Beverly Hills. Das machte seine komplizierte Arbeit in den Dateien der Sozialversicherung etwas einfacher.
Sandra Smallwood hatte in einem Hundesalon in Westwood gearbeitet und, wie er zufällig herausfand, am Tierpfle-ge-College von Phoenix in Arizona, wie es sich hochtrabend nannte, ein Diplom gemacht. Dort lebten auch noch ihre Eltern und die nähere Verwandtschaft. Weitere Angehörige waren über das ganze Land verteilt. Er stellte eine Liste von ihnen zusammen und lernte sie auswendig. Ganz wichtig war, dass er eine Lücke fand, in die er schlüpfen konnte; ein entfernter Cousin, dessen Identität nicht zu bezweifeln wäre, wenn er schließlich Kontakt zu ihr aufnahm.
Jetzt, als er die Namen und Angaben in dem Computer der Arztpraxen durchsah, spionierte er die Geschichte der Familie aus, eine Veranlagung sowohl bei weiblichen als auch bei männlichen Mitgliedern im Alter an Nierensteinen zu leiden, doch manchmal auch schon in jungen Jahren. Aber es stellte sich heraus, dass an dem Tag, als er vor kaum einer Woche Sandra zum ersten Mal gesehen hatte, sie eine gynäkologische Routineuntersuchung gehabt hatte. Es gab in den medizinischen Unterlagen von frühester Kindheit an keinen Hinweis auf Probleme mit den Nieren.
Nicht das dies eine Rolle spielte. Er war jetzt bei der Feinarbeit und befriedigte seine lüsterne Neugierde, die er selbst missbilligte. Doch solche Kleinigkeiten wurden für ihn an diesem Punkt der Nachforschungen immer zu einer Besessenheit. Die Kleinigkeiten eines Lebens, das schon bald enden würde.
Und nur der Netzmann wusste, warum.
5
AM MORGEN DES ersten Frühlingstages des Jahres wachte Tessa früh auf. Die Sonne stand noch tief am klaren Himmel und schimmerte durch den feuchten Dunst von Tessas verwildertem Landgarten.
Sie zog sich die Jeans, die am schnellsten greifbar war, an, einen alten Pullover und ein Paar Turnschuhe und ging hinaus um die frische Luft zu genießen.
George, der Kater, der sich ihrer angenommen hatte, kam heran und legte sich um ihre Füße. Sie hob ihn auf und er schnurrte vor sich hin, während sie ihn herumtrug und nachsah, welche Pflanzen Triebe hatten oder dabei waren aus dem Boden zu kommen und wo man beschneiden, ausdünnen, trimmen und jäten musste. Tessa wusste nicht viel von Gartenarbeit, doch hatte sie sich einiges von Mr. Bryson angeeignet, der dreimal in der Woche vormittags vom Dorf heraufkam und, falls notwendig, auch öfters. Mr. Bryson war Bestandteil des Mietvertrages, den sie für das Haus abgeschlossen hatte.
Sie schlug den gewundenen Pfad hinunter zu dem Apfelbaumhain ein, dessen Durchlässe unter den gebogenen Ästen geheime Plätze und verborgene Winkel verhießen, doch als George sich aus ihren Armen wand und zu Boden sprang um seine eigenen Abenteuer zu suchen, ging sie zu der alten
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