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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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hättest Philip damit konfrontiert und er hätte dir klar gesagt, dass er dich will, aber nicht das Kind. Du glaubst, du hättest ihm geantwortet, dass dies nicht zur Debatte stände. Doch wissen kannst du es nicht. Du kannst dir nicht sicher sein, wie es gelaufen wäre. Es gibt immer noch das kleine bisschen Zweifel, dass du nicht ganz so davon überzeugt bist das Kind zu bekommen, wie du dir selbst einredest.«
    Tessa lehnte sich in die Kissen der Eckbank zurück und massierte sich mit ihren Fingern die Stirn. »Die einzig gute Sache daran, das Kind nicht zu bekommen«, erklärte sie,
    »würde sein, dass ich mir genau jetzt einen großen Gin genehmigen könnte.«
    Helen lächelte Anteil nehmend. Sie hatten die Sache schon viele Male durchdiskutiert. Helen war Katholikin, doch hatte sie gegenüber den Vorschriften der Kirche eine flexible Einstellung. Sie war für die Geburtenkontrolle und unter bestimmten Umständen auch für die Abtreibung, egal was die Kirche dazu meinte. Helen ließ nicht zu, dass sich ein Papst oder ein Kardinalskollegium zwischen Gott und sie stellte, und sie meinte Gott besser zu verstehen als diese.
    Tessa auf der anderen Seite gehörte keinem Glauben an, zumindest keiner Kirche. Sie glaubte nicht, dass an einer menschlichen Eizelle, ob befruchtet oder nicht, irgendetwas Heiliges war. Was in ihrem Bauch wuchs, war noch kein lebendes Wesen, sagte sie sich, nur ein biochemischer Prozess in einem frühen Stadium. Als Wissenschaftlerin wusste Tessa, dass eine genaue Grenze zwischen Leben und Nichtleben nicht existierte, die Natur war unendlich subtil, abgestuft und mehrdeutig.
    »Egal«, meinte sie mit ruhiger Bestimmtheit, »ich will das Kind. Dieses Kind. Ich weiß nicht warum, aber es ist so.«
    »In Ordnung.« Helen nickte und erhob sich von ihrem Stuhl. »Dann lassen wir den Gin, wo er ist, und ich mache uns eine frische Kanne Tee. «
    4
    ER SASS IM Dunkeln, das nur durch das Leuchten des Bildschirms erhellt wurde. Seine Finger bewegten sich über die Computertastatur mit der entspannten Präzision eines Jazzpianisten, der zu seiner eigenen Unterhaltung vor sich hin improvisiert. Seine starrenden Augen zuckten merkwürdig, als sie das Licht reflektierten und gleichzeitig den endlosen Strom von Informationen, der vor ihm ablief, in sich aufnahmen.
    Doch obwohl sein Körper sich in einem Kellerraum in Kalifornien aufhielt, bewegte sich sein Geist mit Lichtgeschwindigkeit um die Welt, glitt auf den Datenautobahnen entlang, wechselte geschickt von einer zur anderen, ohne dass eine davon auch nur seine Anwesenheit bemerkt hätte. Er war
    »Superman« oder wäre es zumindest gewesen, wenn dieser Name nicht schon vergeben wäre. »Spiderman« wäre auch nicht schlecht gewesen, denn ihm gefiel die Vorstellung eine Spinne in der Mitte eines Netzes zu sein. Doch auch dieser Name war unglücklicherweise schon besetzt. Am Ende entschied er sich für Netzmann. Er hatte nicht die Ausstrahlungskraft der anderen beiden Namen, doch er passte zu der Art, wie er die andere, mystische Version seiner selbst, die dort draußen im Netz lebte, empfand: unsichtbar, allwissend und allmächtig, wenn er es wollte. Der dumme Name, den die Zeitungen ihm verpasst hatten: »Ripper von Los Angeles«, zeigte nur, wie weit sie, die Polizei, das FBI und all die anderen, davon entfernt waren, auch nur in die Nähe von ihm zu kommen. Einen solchen Abklatsch zu benutzen, war in seinen Augen einfach zu billig. Vielleicht ließen sich damit mehr Zeitungen verkaufen. Wen kümmerte es? Er nahm sich nicht viel Zeit darüber nachzudenken.
    Er durchsuchte gerade die Patientenliste einer Arztpraxis in Beverly Hills. Das erste Mal hatte er sie gesehen, als sie das Gebäude verließ. Er war in dem Café auf der anderen Straßenseite gewesen und hatte beobachtet, wie sie zum Parkplatz gegangen war, und sich die Nummer des Wagens gemerkt, mit dem sie weggefahren war. Nach den Datenbanken der Zulassungsstelle war der Wagen auf eine Mrs. Rosa Korngold zugelassen. Doch die Frau hatte nicht verheiratet ausgesehen.
    Er hatte die Sache weiterverfolgt und herausgefunden, dass Mrs. Korngold fünfundsechzig Jahre alt und seit zehn Jahren Witwe war und sie erfreute sich bester Gesundheit. Er nahm ihre Aktienpakete, ihre Investments und ihren Grundbesitz in Augenschein und war beeindruckt. Doch ihm ging es nicht ums Geld.
    Die junge Frau hätte Mrs. Korngolds Enkelin sein können, aber es gab keinen Hinweis, dass Mrs. Korngold Kinder hatte.
    Damit

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