Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
gelb ausgemacht, so meine Liberei sein mußte, weil mirs so gefiel; derselbe mußte mir aufwarten, als wenn ich ein Freiherr und kurz zuvor kein Dragoner oder vor einem halben Jahr ein armer Roßbub gewesen wäre.
Dies war die erste Torheit, so ich in dieser Stadt beging, welche, ob sie gleich ziemlich groß war, wurde sie doch von niemand gemerkt, viel weniger getadelt: Aber was machts? die Welt ist der so voll, daß sie keiner mehr acht noch selbige verlacht oder sich drüber verwundert, weil sie deren gewohnt ist; so hatte ich auch den Ruf eines klugen und guten Soldaten und nicht eines Narrn, der die Kinderschuh noch trägt. Ich dingte mich und meinen Jungen meinem Hausvater in die Kost und gab ihm an Bezahlung auf Abschlag, was mir der Kommandant wegen meines Pferds an Fleisch und Holz verehrt hatte; zum Getränk aber mußte mein Jung den Schlüssel haben, weil ich denen die mich besuchten, gern davon mitteilte, denn sintemal ich weder Bürger noch Soldat war und also keinen meinesgleichen hatte, der mir Gesellschaft leisten mögen, hielt ich mich zu beiden Teilen und bekam dahero täglich Kameraden genug, die ich ungetränkt nicht bei mir ließ. Zum Organisten allda machte ich aus den Bürgern die beste Kundschaft, weil ich die Musik liebte und (ohne Ruhm zu melden) ein trefflich gute Stimm hatte, die ich bei mir nicht verschimmlen lassen wollte; dieser lehrte mich, wie ich komponiern sollte, item auf dem Instrument besser schlagen sowohl als auch auf der Harfen, so war ich ohnedas auf der Lauten ein Meister, schaffte mir dahero eine eigene und hatte schier täglich meinen Spaß damit: Wenn ich dann satt war zu musizieren, ließ ich den Kürschner kommen, der mich im Paradeis in allen Gewehren unterwiesen, mit demselben exerzierte ich mich, um noch perfekter zu werden. So erlangte ich auch beim Kommandanten, daß mich einer von seinen Konstablen die Büchsenmeistereikunst und etwas mit dem Feurwerk umzugehen um die Gebühr lehrete. Im übrigen hielt ich mich sehr still und eingezogen, also daß sich die Leut verwunderten, wenn sie sahen, daß ich stets über den Büchern saß wie ein Student, da ich doch Raubens und Blutvergießens gewohnt gewesen.
Mein Hausvater war des Kommandanten Spürhund und mein Hüter, maßen ich merkte, daß er all mein Tun und Lassen demselben hinterbracht', ich konnte mich aber artlich darein schicken, denn ich gedachte des Kriegswesens kein einzig Mal, und wenn man davon redte, tat ich, als ob ich niemals kein Soldat gewesen und nur darum da wäre, meinen täglichen Exerzitien, deren ich erst gedacht, abzuwarten. Ich wünschte zwar, daß meine sechs Monat bald herum wären, es konnte aber niemand abnehmen, welchem Teil ich alsdann dienen wollte. Sooft ich dem Obristen aufwartete, behielt er mich auch an seiner Tafel, da setzt' es denn je zuweiln solche Diskurs, dadurch mein Vorsatz ausgeholt werden sollte, ich antwortet aber jederzeit so vorsichtig, daß man nicht wissen konnte, was Sinns ich sei. Einsmals sagte er zu mir: »Wie stehts Jäger, wollt Ihr noch nicht schwedisch werden, gestern ist mir ein Fähnrich gestorben?« Ich antwortet: »Hochgeehrter Herr Obrist, stehet doch einem Weib wohl an, wenn sie nach ihres Manns Tod nicht gleich wieder heirat, warum sollte ich mich denn nicht sechs Monat patientieren.« Dergestalt entging ich jederzeit und kriegte doch des Obristen Gunst je länger je mehr, so gar, daß er mir sowohl in- als außerhalb der Festung herumzuspazieren vergönnte, ja ich durfte endlich den Hasen, Feldhühnern und Vögeln nachstellen, welches seinen eigenen Soldaten nicht gegönnet war: So fischte ich auch in der Lipp' und war so glücklich damit, daß es das Ansehen hatte, als ob ich beides Fisch und Krebs aus dem Wasser bannen könnte. Darum ließ ich mir nur ein schlechtes Jägerkleid machen, in demselbigen strich ich bei Nacht (denn ich wußte alle Weg und Steg) in die Soestische Börde und holte meine verborgenen Schätz hin und wider zusammen, schleppte solche in gedachte Festung und ließ mich an, als ob ich ewig bei den Schweden wohnen wollte.
Auf demselbigen Weg kam die Wahrsagerin von Soest zu mir, die sagte: »Schau mein Sohn, hab ich dir hiebevor nicht wohl geraten, daß du dein Geld außerhalb der Stadt Soest verbergen solltest? Ich versichere dich, daß es dein größtes Glück gewesen, daß du gefangen worden, denn wärest du heimkommen, so hätten dich einige Kerl, welche dir den Tod geschworen, weil du ihnen beim Frauenzimmer bist
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