Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
weiterdrehen und dich in deinem einsamen Haus ungestört lassen können, du aber musstest dich einmischen. Nun bist auch du heimatlos und musst nackt gehen wie ein Krebs ohne Muschel. Auch du kannst sterben, alte Frau.«
»Lösch die Fackel aus, Einskaldir!«, fuhr Josua den anderen an. »Wir können eine andere anzünden, sobald wir Schutz gefunden haben.«
Für einen Moment starrte der Rimmersmann den Prinzen an. Es war jetzt ganz dunkel. Ohne die flackernde Flamme der Fackel hätte Josua nicht gesehen, dass Einskaldir lächelte.
»Wartet nicht zu lange mit dem Nachkommen«, war seine einzige Antwort. Gleich darauf war er das Flussbett hinuntergerannt, auf den großen Bogen zu, die Flamme hoch über dem Kopf. Pfeile zischten an seinen Gefährten vorbei. Der Rimmersmann, nur noch ein tanzender Lichtfleck, sprang hin und her, um ihnen auszuweichen.
»Los! Rennt alle los!«, schrie Josua. »Jeder hilft seinem Nachbarn. Lauft!«
Jemand schrie in einer fremden Sprache, der ganze Wald erschien plötzlich erfüllt von Lärm. Deornoth griff nach unten, packte Sangfugol am Arm und zerrte den verletzten Harfner auf die Füße. Miteinander brachen sie durch das überhängende Buschwerk, dem kleiner werdenden Funken von Einskaldirs Fackel nach.
Zweige schlugen ihnen ins Gesicht und stachen mit grausamen Krallen nach ihren Augen. Vor ihnen ertönte ein Schmerzensschrei, und das schrille Kreischen wurde noch gellender. Hastig warf Deornoth einen Blick zurück. Über den dunstigen Grund ergoss sich ein Strom bleicher Gestalten mit Gesichtern, deren pechschwarze Augen ihn selbst aus der Ferne mit Verzweiflung erfüllten.
Etwas traf Deornoth mit Wucht an der Seite des Kopfes und ließ ihn taumeln. Er konnte Sangfugol vor Schmerzen schluchzen hören, während der Harfner ihn am Ellenbogen weiterzerrte. Einen langen Augenblick schien es dem Ritter viel leichter, sich einfach flach auf die Erde zu legen.
»Barmherziger Ädon, schenke mir Ruhe«, hörte er sich selbst beten, »in deinen Armen will ich schlafen, in deinem Schoße Frieden finden …« Aber Sangfugol wollte nicht aufhören, an ihm zu ziehen. Betäubt stolperte Deornoth wieder auf die Beine und sah zwischen den Baumwipfeln verstreute Sterne blinken.
Es ist nicht hell genug, um den Eingang zu finden, dachte er und merkte, dass er schon wieder rannte. Aber ob sie nun rannten oder nicht, Deornoth fand, dass er und Sangfugol nur sehr langsam vorankamen. Der dunkle Streifen am Berghang wollte nicht näher rücken. Er senkte den Kopf und betrachtete seine Füße, unbestimmte Schattengebilde,die auf dem schlammigen Bachboden immer wieder ausrutschten.
Mein Kopf. Ich bin schon wieder am Kopf getroffen worden.
Das Nächste, was Deornoth wusste, war, dass er im Dunkeln stand, so plötzlich, als habe man ihm einen Sack übergestülpt. Er spürte fremde Hände, die ihn am Ellenbogen fassten und ihm weiterhalfen. Sein Kopf fühlte sich sonderbar leicht und hohl an.
»Da vorn ist die Fackel«, meinte jemand neben ihm.
Hört sich an wie Josuas Stimme, entschied Deornoth. Steckt er etwa auch in dem Sack?
Er torkelte ein paar Schritte weiter und sah einen Lichtschein. Er schaute nach unten und versuchte mühsam, aus all dem klug zu werden. Auf der Erde saß Einskaldir und lehnte sich an eine steinerne Wand, die hinter ihm aufstieg und sich nach oben hin wölbte. Der Rimmersmann hielt eine Fackel in der Hand. In seinem Bart war Blut.
»Nehmt sie«, sagte Einskaldir zu niemand im Besonderen. »Ich hab … Pfeil … im Rücken. Kann nicht … atmen …« Ganz langsam kippte er nach vorn gegen Josuas Bein. Es sah so merkwürdig aus, dass Deornoth lachen wollte, aber es gelang ihm nicht. Das hohle Gefühl wurde stärker. Er beugte sich vor, um Einskaldir zu helfen, versank jedoch stattdessen in einem tiefen, schwarzen Loch.
»Usires hilf, seht doch nur Deornoths Kopf!«, rief jemand.
Deornoth erkannte die Stimme nicht und fragte sich, über was sich die Leute so aufregten … Dann kehrte die Dunkelheit zurück, und das Denken fiel ihm schwer. Das Loch, in das er gefallen war, schien sehr tief zu sein.
Rachel der Drache, Oberste der Kammerfrauen auf dem Hochhorst, schob sich das Bündel mit nasser Bettwäsche höher auf die Schulter und versuchte, ein Gleichgewicht zu finden, das ihren schmerzenden Rücken möglichst wenig belastete. Natürlich war das sinnlos; der Schmerz würde nicht mehr aufhören, bis Gottvater sie zu sich in seinen Himmel nahm.
Rachel fühlte sich
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