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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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den narbigen, tätowierten Thrithingsmännern und ihren rauhen Sitten den Hochhorst ganz verlassen, um bei Verwandtenauf dem Land zu leben. Zu Rachels Verdruss und wachsender Besorgnis war es trotz der Horden hungriger Bettlerinnen, die durch Erchester streiften und sogar vor den Mauern des Hochhorstes ihre Lager aufschlugen, fast unmöglich, für die ausscheidenden Kammermägde Ersatz zu finden.
    Aber Rachel wusste, dass es nicht nur die wilden Neulinge auf der Burg waren, die es so schwer machten, neue Mädchen zu finden. So voll von ständig miteinander streitenden Soldaten und hochnäsigen Edelleuten der Hochhorst auch bei Tag war, nachts schien er so unbewohnt zu sein wie der Friedhof vor den Stadtmauern von Erchester. Echos und seltsame Stimmen hallten in den Gängen wider. Schritte ertönten, wo niemand ging. Rachel und ihre noch verbleibenden Schützlinge schlossen sich nachts neuerdings ein. Rachel hatte den Mädchen zwar erklärt, dass dies geschehe, um die betrunkenen Soldaten auszusperren, aber sowohl sie als auch ihre Kammermägde wussten, dass der sorgfältig kontrollierte Türriegel und das gemeinschaftliche Gebet vor dem Schlafengehen nicht auf die Angst vor Dingen zurückgingen, die so leicht zu verstehen waren wie die Liebestollheit eines besoffenen Thrithingmannes.
    Und was noch seltsamer war: Obwohl sie es ihren Zöglingen – gesegnete Rhiap, beschütze sie alle – gegenüber nie zugegeben hätte, war es Rachel in den letzten Wochen ein paarmal zugestoßen, dass sie sich verirrt hatte und in Gängen umhergewandert war, an die sie sich überhaupt nicht erinnerte. Sie, Rachel! Sie, die jahrzehntelang so selbstverständlich durch diese Burg geschritten war wie nur irgendeiner ihrer Herrscher, verlief sich jetzt in ihrem eigenen Heim. Entweder war das Wahnsinn oder die Torheit des Alters … oder ein Dämonenzauber.
    Rachel ließ den Sack mit den nassen Laken fallen und lehnte sich an die Wand. Ein Dreigespann älterer Priester kam ihr entgegen und glitt an ihr vorbei. Sie diskutierten in hitzigem Nabbanai miteinander und würdigten Rachel so wenig eines Blickes wie einen Hund, der tot am Wege liegt. Sie sah ihnen nach und rang nach Atem. Dass sie in ihrem Alter, nach so vielen Dienstjahren, triefnasse Bettwäsche herumschleppen musste wie die niedrigste Kellermagd! Aber auch das musste getan werden. Jemand musste weiterkämpfen.
    Ja, seit dem Tag, an dem Simon den Tod gefunden hatte, war alles schiefgegangen, und es sah auch nicht so aus, als ob sich das bald ändern würde. Stirnrunzelnd schulterte Rachel von neuem ihre Bürde.
    Rachel hatte die nasse Bettwäsche aufgehängt. Sie sah zu, wie das Leinen im Spätnachmittagswind knatterte, und staunte über das kühle Wetter. Tiyagarmonat, mitten im Sommer – und die Tage waren noch immer kühl wie im Vorfrühling. Zweifellos besser als die tödliche Dürre, mit der das letzte Jahr aufgehört hatte; aber trotzdem sehnte Rachel sich nach den heißen Tagen und warmen Nächten, die einfach zum Sommer dazugehörten. Ihre Gelenke schmerzten, und die Morgenkälte machte es nicht besser. Die Feuchtigkeit drang bis ins innerste Mark ihrer alten Knochen.
    Sie ging quer über den Anger zurück und fragte sich, wo ihre Helferinnen eigentlich steckten. Bestimmt hatten sie eine Pause eingelegt, sich hingesetzt, kicherten und schwatzten, während die Oberste der Kammerfrauen sich abrackerte wie ein Bauer auf eigener Scholle. Rachel fühlte sich zwar wie zerschlagen, aber ihr guter rechter Arm hatte immer noch Kraft genug, um ein paar faule Mägde zur Arbeit zu prügeln.
    Zu schade, dachte sie, während sie langsam am Äußeren Zwinger entlangging, dass keiner da war, der in dieser Burg einmal mit starker Hand für Ordnung sorgte. Als der selige alte König Johan gestorben war, hatte man zunächst geglaubt, Elias wäre der Richtige dafür, aber von ihm war Rachel tief enttäuscht. Dieser Apfel, fand sie, war entschieden weiter vom Stamm gefallen, als man je hätte vermuten können. Dennoch, eigentlich war auch das keine Überraschung. Es waren eben Männer. Herumstolzierende, prahlerische Männer. Sie waren wie kleine Jungen, wenn man es sich genau überlegte, und selbst die Erwachsenen benahmen sich nicht gescheiter als weiland das junge Mondkalb Simon. Sie hatten keine Ahnung, wie man mit den Dingen umzugehen hatte, diese Männer, und König Elias machte da keine Ausnahme.
    Man brauchte sich ja nur diesen Irrsinn mit seinem Bruder anzuschauen. Zwar hatte sich

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