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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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ganz und gar richtig entschieden: die Stadttore schließen, die Grenzen der Grafschaft durch Soldaten sichern, zum Wohl seiner Untertanen, zum Frommen des väterlichen Reichs und zur Beförderung des großen Werks.
    Habt Ihr nicht mal behauptet, Johanna, dass der Herrscher im Himmel mich längst und auf ewiglich verdammt hätte? Aus Throneshöhe schielte er ins welke Frätzlein der Waldstein hinab. Und habt Ihr, cher monsieur, nicht immer beteuert, dass dieser gütige Gott nur eine katholische Wahnfigur wäre? Vergeblich suchte sein Blick nach d’Alembert, der um Dispens gebeten hatte, »fortwirkender Schwäche halber«. Und nun aber, cher maître? Wie deutet Ihr die Pestilenz, die Medikus von Rosert diagnostiziert hat – wie sonst, wenn nicht als Himmelswink, dass der alchimistische Magister sein großes Werk hier in Krumau vollbringen soll, an keinem andern Ort?
    Um den Thron herum waren seine Getreuen versammelt: Magister Hezilow, der auf den Ritterschlag noch ein wenig würde warten müssen, das schwarze Stöckchen in der Rechten, das absonderlich lange Schwert über der Lumpenkutte umgeschnallt. Johanna von Waldstein, so bleich, als ob sie letzte Nacht schon wieder umhergespukt wäre, im Kreis ihrer heiligen Weiber, von denen mindestens drei für Kuttensack und Chorgesang zu jung und saftig waren. Der rundliche Oberststallmeister Skraliçek, der ihm gestern erst von seltsamen Geschehnissen im Rosenberger Kastell berichtet hatte. Schließlich Oberstkämmerer von Hasslach, den er wohl auch noch zum Haushofmeister ernennen sollte, nach dem Abgang des braven Breuner.
    »Wo zum Henker bleibt der Medikus? Berti, schaff den Kerl herbei!« Eben wollte Julius nach der Messingglocke greifen, die neben seinem Sessel auf dem Thronsockel stand, als Kasimir von Rosert tomatenhäuptig in den Saal gestolpert kam.
    »Bitte sehr um Nachsicht, Euer Exzellenz. Vor dem Hospiz gab’s einen kleinen Aufruhr, die Leute verlangten ihre Angehörigen zu sehen.« Er hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Verständliche Aufregung, zu Herzen gehender Kummer, Euer Liebden! Aber da hilft alles nichts: Um die Leute zu retten, müssen wir hart und gelassen bleiben. Räucherwerk und Isolation, diese Sprache fürchtet die Seuche, im schwülen Bad weichlicher Gefühle blüht sie auf.«
    »Wohl gesprochen, Medikus«, pflichtete die Waldstein bei, die Julius nie aus eigenen Stücken zur Audienz geladen hätte, doch der Magister hatte sich für sie ins Zeug gelegt. »Aber seid Ihr sicher, dass Eure Maßnahmen ausreichen?«, fuhr Johanna fort.
    »Wollt Ihr die Kraft der Krankheit wirklich brechen, so dürft Ihr der Pestilenz nicht hinterhereilen, sondern müsst ihr mutig entgegentreten.«
    Der Medikus verschränkte die Arme vor der Hünenbrust.
    »Und das will besagen, Edelste? Erlaubt mir übrigens die Frage: Aus welchen Quellen schöpft Ihr Eure heilkundliche Weisheit?«
    »Aus der Zwiesprache mit Gott«, erwiderte sie, »der Herr im Himmel schenke auch Euch Weisheit, Senor.«
    Belustigt beobachtete Julius, wie sich von Rosert in Johannas Richtung verneigte und etwas Unverständliches murmelte. Na meinetwegen, dachte er, mögen die Waldstein und ihre heiligen Weiber frömmeln und Chorale in Richtung der Wolken tirilieren, so viel es ihnen beliebt, solange sie nur den Fortgang des großen Werks nicht hemmen.
    Er fasste eine besonders saftige Nonne in den Blick und stellte sich eben vor, wie sie sich aus ihrer kratzigen Kutte hervorgrub und himmelwärts schielende Brüstchen entblößte, als Johanna mit einer Stimme wie gesprungenes Kristallglas fortfuhr: »Um aber auf Eure erste Frage zurückzukommen, Medikus: Wollt Ihr die Seuche wirkungsvoll bekämpfen, so dürft Ihr nicht warten, bis die Leute einen neuen Krankheitsfall melden. Vielmehr müssen wir eine Vielzahl geschulter Gehilfen ausschwärmen lassen, die im ganzen Land nach Befallenen suchen.«
    Johanna hielt inne, als Hezilow ihr heftig zunickte. Seine wundroten Lippen schnappten auf und zu, während seine Hände den schmierigen schwarzen Beutel kneteten, den er zusammen mit seinem Stöckchen ständig bei sich trug.
    Wie sonderbar, dachte Julius, dass Johanna und der Puppenmacher einander so sehr fürchten und verabscheuen und sich doch so vortrefflich ergänzen beim Kampf gegen die Pest und bei der Vollendung des großen Werks.
    »Ein gettlicher Gedanke, Madame«, stimmte der Russe zu.
    »Sind sich Gehilfen ohnehin schon halbe Tag in Kutsche unterwegs, um herbeizuholen, was

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